Fragen und Antworten zum Thema Wahlcomputer

03. März 2009   Hilfreich, modern, verfassungswidrig

1236111468_wahlcomputer114vmittel4x3.jpgDer Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 war verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Wähler hätten dadurch weder die abgegebenen Stimmen noch deren Auszählung kontrollieren können. Weil jedoch keine Hinweise auf Fehler vorlägen, bleibe die Wahl gültig. tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Wahlcomputer.

Was sind Wahlcomputer?

Wahlcomputer ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für elektronische Wahlgeräte. Das sind Maschinen, die anstelle herkömmlicher Stimmzettel aus Papier zur Stimmabgabe bei Wahlen eingesetzt werden. Der Stimmzettel erscheint auf dem Bildschirm des Geräts, die Wähler markieren ihre Auswahl per Knopfdruck. Die Stimmen werden anschließend im Gerät gespeichert. Die am meisten verbreiteten Hersteller sind Nedap und Diebold.

Warum werden sie verwendet?

Für die technische Abwicklung von Wahlen haben Wahlcomputer einen großen Vorteil: Die Ergebnisse müssen nicht von Hand ausgezählt werden, sondern sind nach Schließung der Wahllokale sofort verfügbar. Außerdem können sie direkt in elektronischer Form an die Wahlleitung übermittelt werden.

Ob Wahlcomputer Kosten sparen, weil sie langfristig billiger sind als die Bezahlung von Helfern, Druck und Transport immer neuer Stimmzettel bei unterschiedlichen Wahlen, steht nicht fest.

Wo werden sie in Deutschland eingesetzt?

In Deutschland werden elektronische Wahlgeräte seit der Europawahl 1999 verwendet. Bei der Bundestagswahl 2005 standen laut Bundesinnenministerium in rund 1800 Wahllokalen solche Geräte des Herstellers Nedap. Dies waren 2,25 Prozent der ungefähr 80.000 Wahllokale in Deutschland. Rund zwei Millionen Wähler nutzten die Geräte.

Was sagen die Kritiker?

Kritiker erheben zwei Hauptvorwürfe: Anders als bei einer Wahl auf Papier könnten Fehlfunktionen und eventuelle Manipulationen nur von technischen Experten nachvollzogen werden. Da es keine „Quittungen“ des Wahlvorganges auf Papier gebe, sei es nicht möglich, bei Fehlern des Geräts die Stimmen per Hand zu kontrollieren. Diese Intransparenz des Wahlvorganges halten die Kritiker für undemokratisch. Außerdem sei die Technik nicht sicher genug vor Manipulationen.

Wie sicher sind Wahlcomputer?

1236111438_bild35192vmittel4x3.jpgKritiker wie der Chaos Computer Club (CCC) in Deutschland und die Initiative „Wir vertrauen Stimmcomputern nicht“ in den Niederlanden haben in der Vergangenheit gezeigt, wie sich Geräte des in beiden Ländern genutzten Herstellers Nedap manipulieren lassen: Sie öffneten einen Wahlcomputer und luden eine manipulierte Maske zur Stimmabgabe auf das Gerät. In den Niederlanden stellte der Inlandsgeheimdienst in einer Studie Sicherheitslücken bei der Übertragung der Ergebnisse aus dem Wahllokal an die Wahlleitung fest.

Die Regierung des US-Bundesstaats Kalifonien ließ 2008 in einer umfangreichen Studie die Wahlsysteme der Hersteller Diebold, Hart Intercivic und Sequoia untersuchen und Angriffe simulieren: Die Informatiker stellten den Geräten ein vernichtendes Zeugnis aus. Bei der Präsidentenwahl 2008 gingen in einem kalifornischen Wahlbezirk sogar elektronisch abgegebene Stimmen verloren.

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die für die technische Prüfung von Wahlcomputern zuständig ist, hält diese dagegen für sicher. Teilweise wurde die Software von Wahlgeräten auch nach Kritik nachgebessert, so in Hessen. Zudem verweisen Befürworter von Wahlcomputern darauf, dass auch Wahlen auf Papier manipuliert werden können.

Kritiker halten dem entgegen, dass bei elektronischen Wahlen die Möglichkeit für eine massenhafte, unauffällige Manipulation ungleich höher sei.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Auch in anderen Ländern werden Wahlcomputer eingesetzt – und teils heftig kritisiert. In den Niederlanden sind Wahlcomputer seit 2007 generell nicht mehr zugelassen. Auch in Italien entschied man sich gegen die weitere Verwendung. In Kalifornien wurde Geräten nach der Regierungsuntersuchung wegen Sicherheitslücken die Lizenz entzogen. Dort und in Ohio werden stattdessen nun Stimmzettel-Scanner eingesetzt. Absichtliche Manipulationen von Wahlcomputern sind aber bisher noch in keinem Land entdeckt worden.

Worum ging es in der Verfassungsklage?

Zwei Wähler haben gegen den Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 geklagt. Sie halten ihren Einsatz für undemokratisch und für einen Verstoß gegen das Wahlgesetz. Außerdem kritisieren sie, dass weder der Quellcode der Wahlgerätesoftware noch die Prüfberichte der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt veröffentlicht worden seien. In der mündlichen Verhandlung im Oktober 2008 äußerten sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts relativ kritisch: Unter anderem bemängelten sie, dass mit den derzeitigen Systemen weder eine korrekte Speicherung der abgegebenen Stimmen noch deren Auszählung kontrolliert werden könne. In ihrem Urteil vom 2. März 2009 (AZ: 2 BvC 3/07 und 2 BvC 4/0) gaben die Richter den Klägern in großen Teilen recht.

Wie geht es nun weiter?

Bei der nächsten Bundestagswahl dürfen die Wahlgeräte in der bisherigen Form nicht eingesetzt werden. Das Verfassungsgericht begründet dies damit, dass die elektronische Stimmabgabe nicht von Bürgern „ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden „könne“. Das muss künftig auch in der Verordnung für Wahlgeräte festgeschrieben werden. Generell ist der Einsatz elektronischer Stimmgeräte nämlich weiterhin möglich, wenn die vom Verfassungsgericht aufgestellten Bedingungen erfüllt werden. Das Bundeswahlgesetz, das den Einsatz erlaubt, muss deshalb nicht geändert werden. Auch Wahlen über das Internet seien generell zulässig, sagte Vizepräsident Andreas Voßkuhle.

Bei der Bundestagswahl am 27. Sept. 2009 wird laut Bundesinnenministerium nun wahrscheinlich überall per Hand gewählt. Die Bundestagswahl von 2005 wurde aber nicht für ungültig erklärt. Da es keine Hinweise auf Manipulationen der damals benutzen Wahlgeräte gäbe, sei der Vertrauensschutz für das damals gewählte Parlament vorrangi
g, erklärte das Verfassungsgericht.

zusammengestellt von Fiete Stegers