Herforder Vision

Herford, 19. Juni 2010  Wie würdigt man die im 11. Jahrhundert dokumentierte Herforder Vision, die älteste bekannte Marienerscheinung nördlich der Alpen?

Der Legende nach soll an einem 19. Juni, dem Tag der Heiligen Gervasius und Protasius, einem Schäfer die Jungfrau Maria erschienen sein.

Das Jahr, in dem sich die Vision ereignet hat, ist nicht genau bekannt. Einige Quellen sprechen von 940, in anderen Unterlagen wird berichtet, dass die Nachricht zwischen 926 und 973 wie ein Lauffeuer durch Europa ging. Möglich ist auch, dass die Erscheinung erst im Jahre 1011 stattfand.

Die Legende

Für die Legende gibt es unterschiedliche Versionen. Entweder handelte es sich um einen Hirten oder Schäfer, der auf dem Herforder Luttenberg seine Schafe hütete, oder um einen Bettler, genauer gesagt um einen armen und körperlich schwachen Mann, der sich auf dem Weg zum Herforder Kloster befand, wo er um eine milde Gabe bitten wollte.

Plötzlich erschien ihm die Jungfrau Maria in einem strahlenden Lichtermeer. Sie gab ihm eine Botschaft an die Äbtissin des Herforder Frauenstiftes, die aus zwei Teilen bestand: Statt der Prachtentfaltung beim Wiederaufbau des durch die Ungarn zerstörten Klosters solle sie für das geistige Leben Sorge tragen und die Ordensregeln beachten, damit die Gemeinschaft der Nonnen wieder erstarke.

Außerdem solle an der Stelle der Erscheinung ein Ort des Gedenkens entstehen, die später gebaute Herforder Marienkirche. Zur Kennzeichnung des Ortes sollte der Mann ein Holzkreuz aus einem Ast anfertigen. Als Zeichen der Wahrhaftigkeit versprach Maria, in Form einer weißen Taube auf dem Kreuz zu sitzen, sobald die Nonnen erschienen.

Natürlich glaubten die Nonnen dem Mann nicht und legten ihn in Ketten. Als er jedoch die Feuer- und Wasserprobe unbeschadet überstand, gingen sie doch auf den Luttenberg und fanden die Aussage des Mannes bestätigt. Auf dem Kreuz saß wirklich eine weiße Taube.

Reumütig gelobte die Äbtissin Besserung und versprach sofort mit dem Bau der Kirche zu beginnen. Noch lange sollen die Ketten des visionären Knaben in der Marienkirche zu sehen gewesen sein.

In einer anderen Version ist Maria dem Mann auf einem Baum in Gestalt einer Taube erschienen. Der Stumpf dieses Baumes befindet sich innerhalb des Altars der Marienkirche. Er galt als wundertätig und sollte gegen Zahnschmerzen helfen. In einer Urkunde von 1262 wird der Opferstock neben dem Baumstumpf erwähnt, an dem Pilger reiche Opfergaben niederlegten. Vor dem Tor der Kirche hingen Krücken geheilter Kranker. Bis 1712 befand sich eine bildliche Darstellung der Vision an der Südwand der Kirche.

Bis zum Jahr 1000 waren aus der gesamten Christenheit nur 30 Marienerscheinungen überliefert, die meisten aus Byzanz und Südeuropa. Die Nr. 27 war die Herforder Vision.

Zum Gedenken an die Marienerscheinung fand(!) jedes Jahr im Juni eine große Kirmes statt, die ebenfalls Herforder Vision genannt wurde. Sie war damit eine der ältesten deutschen Volksfeste, die ihren Ursprung in einem kirchlichen Ereignis haben.