Integrative Beschulung lernbehinderter Kinder an weiterführenden Schulen

1197296528Wappen-Herford-bunt.jpgHerford, 06. Feb. 2009     Welche Angebote bietet die Stadt Herford?

Wer freut sich nicht, wenn er ein Kind oder Kinder hat, die – auch in Herford – grundsätzlich die freie Wahl der Schulen haben und diese „mal eben“ – möglichst noch mit guten Noten – durchlaufen!

Wie anders stellt sich die Situation dar, wenn das Kind auch nur leichte Lernschwächen zeigt. Da stößt man im modernen Herford rasch an Grenzen.

In einer aktuellen Vorlage für den Behindertenbeirat, den Sozialausschuss und den Schulausschuss drückt selbst Schul- und Sozialdezernentin Decarli ihr Bedauern darüber aus, dass bzgl. der Beschulung von Kindern mit Behinderungen an weiterführenden Schulen in Herford eine unbefriedigende Situation herrsche. Gleichwohl hat sich seit einem Jahr nichts getan.

„Man muss sich den Beschlussvorschlag auf der Zunge zergehen lassen“, sagt Heinz-Günther Scheffer, Ratsmitglied der Freien Wähler der Liste 2004 – Initiative für Herford„, der an der Sitzung des Behindertenbeirates teilnahm.

Dort heißt es wörtlich (die Vorlage ist nunmehr im städt. Internet verfügbar):

„Der Behindertenbeirat empfiehlt dem Sozialausschuss, die Verwaltung zu beauftragen, mit allen zu beteiligenden Akteuren, im Rahmen einer Zukunftswerkstatt in einen dialogischen Prozess einzusteigen, um ein geeignetes Konzept der integrativen Beschulung an weiterführenden Schulen in Herford zu entwickeln.“

„So zäumt man in Herford die Pferde von hinten auf„, urteilt Scheffer. „Ich habe es mir im Behindertenbeirat lieber verkniffen, zu fragen, ob jemand eine Vorstellung davon habe, was sich hinter der zitierten „Zukunftswerkstatt“  konkret verberge, oder was ein „dialogischer Prozess“ sei. Man ist schließlich höflich!“ So fragte niemand!

Spannender noch dürfte die Antwort auf die Frage sein, wie lange ein solcher „Prozess“ dauert. Das noch dazu, nachdem sich ein Jahr gar nichts getan hat.

Zu bedauern sind – neben der städt. Schulverwaltung und den politischen Gremien, die solche „lauen“ Beschlüsse formulieren und fassen – primär die Eltern/Familien der betroffenen Schülerinnen und Schüler Herfords.

Fazit: Die Empfehlung des Behindertenbeirates hätte auch alternativ lauten können: „Der Behindertenbeirat empfiehlt dem Sozialausschuss, zu beschließen, sich – unverrichteter Dinge – in einem Jahr wieder zu treffen!“

Man versetze sich nur einmal in die Lage der Betroffenen, die ein Kind haben, für welches zum Schuljahreswechsel 2009/2010 der Schulwechsel ansteht!

Heinz-Günther Scheffer

Kein Anspruch auf integrative Beschulung in der örtlichen Grundschule Verwaltungsgericht Koblenz wies Klage einer Schülerin mit Down-Syndrom zurück

19.12.2008

(redaktion/PM) Ein behindertes Kind hat keinen Anspruch darauf, dass in der örtlichen Regelschule die Möglichkeiten zur gemeinsamen Unterrichtung behinderter und nichtbehinderter Schüler geschaffen werden, wenn in zumutbarer Entfernung eine Schwerpunktschule erreichbar ist, die diese Möglichkeit bereits gewährleistet. Dies entschied kürzlich das Verwaltungsgericht Koblenz.

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Die Klägerin ist ein sechs Jahre altes Mädchen mit Down-Syndrom. Sie bedarf der sonderpädagogischen Förderung mit dem Schwerpunkt auf ganzheitlicher Entwicklung. Ein sonderpädagogisches Gutachten stellte unter anderem Förderbedarf bei vielen alltäglich wiederkehrenden Verrichtungen, eingeschränkte Sprach- und Interaktionskompetenz sowie das Fehlen der Voraussetzungen zum Erwerb schriftsprachlicher Symbole fest.

Schule war bereit, das Kind aufzunehmen

Die Eltern der Klägerin beantragten, das Kind nicht in der 20 km entfernten Schwerpunktschule, sondern in der örtlichen Regelschule einzuschulen. Ihre Tochter hätte dort Klassenkameraden, die sie aufgrund ihrer Freizeit- und Vereinsaktivitäten im Ort bereits kenne. Es sei ein ausreichend großer Klassenraum vorhanden, um die notwendige Rückzugsecke zu schaffen. Ein Förderlehrer aus einer nicht weit entfernten Schule für Lernbehinderte könne den ergänzenden Unterricht übernehmen. Die Grundschulrektorin sei auch bereit, das Kind an dieser Schule aufzunehmen. Demgegenüber kenne ihre Tochter in der Schwerpunktschule niemanden. Die Klassenstärke sei dort viel größer, und eine Integration am Heimatort könne so nicht erreicht werden.

Schulbehörde war dagegen

Die Schulbehörde wies die Klägerin gleichwohl der Schwerpunktschule zu. Zur Begründung gab sie an, dort seien die sächlichen, räumlichen und personellen Voraussetzungen für eine integrative Beschulung gegeben. Die Eltern der Klägerin waren mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und erhoben für ihre Tochter nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchverfahrens Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Gericht: 20 Kilometer Schulweg zumutbar

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin habe zwar einen Anspruch auf integrative Beschulung. Dieser Anspruch, so die Richter, bestehe nach dem Wortlaut des Gesetzes aber nur im Rahmen des vorhandenen schulischen Bildungs- und Erziehungssystems und sei nicht auf dessen Ausweitung gerichtet. Da in der Schwerpunktschule bereits alle sächlichen, räumlichen, personellen und organisatorischen Bedingungen für eine integrative Beschulung vorhanden seien, komme es nicht mehr darauf an, ob sie an der örtlichen Regelschule grundsätzlich geschaffen werden könnten. Auch das im Grundgesetz verankerte Verbot, behinderte Menschen zu benachteiligen, führe nicht dazu, dass eine bereits bestehende Möglichkeit zur integrativen Beschulung zu Gunsten einer Einzelintegration an der Grundschule des Wohnortes zurücktreten müsse. Der Fahrweg von etwa 20 km sei weder im Vergleich zu dem Fahrweg anderer besonders geförderter Schüler, noch für sich genommen unzumutbar, zumal der Landkreis die anfallenden Fahrtkosten übernehme. Auch unter Berücksichtigung des längeren Schulweges dürfte es der Klägerin weiterhin möglich sein, ihre im Heimatort aufgenommenen Freizeit- und Vereinsaktivitäten fortzuführen und die dort aufgebauten sozialen Kontakte zu pflegen.

Das Gericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Berufung an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zugelassen.

Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil v. 27. Nov. 2008, – 7 K 734/08.KO –