Interview mit dem Bürgermeisterkandidaten Heinz-Günther Scheffer

Herford, 26. Aug. 2009  Hier das vollständige Interview mit dem Bürgermeisterkandidaten der „Liste 2004 – Initiative für Herford“

Heinz Günther Scheffer

Man hat bei Ihnen den Eindruck, dass Sie rund um die Uhr für Herford unterwegs sind. Gibt es eine Erklärung dafür?

Scheffer: Es war vor 20 Jahren, als mich der damalige FDP-Fraktionsvorsitzende Jürgen Rauen in die Kommunalpolitik holte. Als Rauen nach der für die örtliche FDP gescheiterten Wahl 1994 nicht nur aus dem Rat, sondern auch aus der FDP ausschied, bin ich geblieben und schließlich in seine Fußtapfen getreten.

1999 gelang es mir, die FDP Herford als Spitzenkandidat wieder in den Rat zurück zu führen. Dass sich das politische Engagement durch die Ratsarbeit täglich steigert, ergibt sich von ganz allein. Wer sich verantwortlich einbringen will, darf nicht auf die Uhr schauen.

Aber auch Sie haben die FDP verlassen. Weshalb?

Scheffer: Da gab es vielfältige Gründe. Ein ganz gravierender Grund war der, dass Stephen Paul als Mitglied meines FDP-Stadtverbandes und Fraktionsvorsitzender der FDP im Kreistag dem kurzzeitigen Landrat Hans-Georg Kluge (CDU) beim viel zu frühen Verkauf der EMR-Anteile zur Mehrheit verhalf, wodurch die angestrebte „kommunale Mehrheit“ der Anteilseigner platzte. Ein volkswirtschaftlicher Nachteil für alle Bürgerinnen und Bürger im Kreis Herford, vergleichbar etwa mit der von Henning Kreibohm (SPD) zu vertretenden „Laar-Pleite“, die anscheinend in Vergessenheit geraten ist.

Sie haben dann die „Liste 2004 – Initiative für Herford“ gegründet. War das ein richtiger Schritt?

Scheffer: Der Schritt war überfällig. Für eine sachorientierte Arbeit vor Ort ist ein „Überbau“ in Düsseldorf oder Berlin eher hinderlich. Wir müssen in Herford ungehindert Politik für Herford machen können. Weisungen aus Düsseldorf oder Berlin sind viel zu häufig für unsere Stadt mit ihren rund 65.000 Einwohnern vollkommen unrealistisch.

Wir hatten ja gerade das Beispiel: Der Verkauf der EMR-Anteile in Herford wurde mit der von Berlin geforderten Reduzierung der Staatsquote begründet. So ein Nonsens.

Freies Denken und Handeln müssen bei der politischen Arbeit im Vordergrund stehen. Ideologisch motivierter „Stimmenhandel“ und Zählabsprachen im Stadtrat sind nicht das, was unsere Bürgerinnen und Bürger von ihren Vertretern im Rat erwarten. Um ein Beispiel zu nennen: Der amtierende Bürgermeister Wollbrink verfügt bekanntlich in dieser Ratsperiode über keine Mehrheit im Rat. Als er 2005 seinen ersten Haushalt verabschieden wollte, hat er die Bündnisgrünen (4 Stimmen) und die FDP (3 Stimmen) gebeten, mit der SPD zu stimmen, um so auf die erforderlichen 23 Stimmen zu kommen. Dafür wurde den Grünen eine Sonderstellung des freien Trägers „femina vita“ und der FDP die Hundewiese hinter der Praxisklink zugestanden.

Aber was haben Sie in dieser Ratsperiode bewirken können?

Scheffer: Wir haben zum Beispiel einen studentischen Ideenwettbewerb mit 24 Studierenden der Bauhaus Universität Weimar aus 7 Nationen in den Stadtteil Radewig geholt. Sie haben 11 prämierte Entwicklungskonzepte für den Stadtteil und dessen Umgebung erarbeitet.

Wir waren es, die auf die vollkommen unabgestimmte massive Bebauung in der Clarenstraße in der geplanten Form aufmerksam gemacht haben. Gleiches gilt für das unrealistische WWS-Bauvorhaben auf dem Niemeier-Areal am Bergertor.

Mir ist es gar gelungen, mit der ITG Düsseldorf den Investor nach Herford zu holen, der inzwischen das leerstehende Kaufhof-Areal erworben hat und dort alsbald einen zeitgemäßen Neubau errichtet. Damit ist einer der wichtigsten Grundsteine zur Innenstadtentwicklung Herfords gelegt worden.

Nur darauf geht es zurück, dass die Firma Klingenthal inzwischen die bis dahin lediglich angemieteten ehemaligen Köhler-Flächen erworben hat.

Sicher eine wichtige Voraussetzung für die Innenstadtentwicklung. Wird das reichen?

Scheffer: Nein, das reicht noch nicht. Wir müssen weitere Impulse setzen. Ich stehe parallel mit einer ganzen Reihe potentieller Investoren im Kontakt.

Natürlich müssen zusätzliche überzeugende Maßnahmen folgen. Dazu möchten wir unter anderem die verfügbaren Alleinstellungsmerkmale Herfords herausarbeiten.

Sie meinen sicher auch die Stadt- und Stiftsgeschichte?

Scheffer: Jede Stadt hat eine Geschichte. Aber nicht jede Stadt hat eine so einzigartige Stiftsgeschichte vorzuweisen. Auch hier hebt sich Herford weit über seine Grenzen ab.

Schade, dass wir bisher nicht mehr daraus gemacht haben. Um so bedauerlicher, dass um die Geschichte Herfords bemühte Herforder Bürger wie Dieter Ernstmeier oder Heinrich Wemhöner viel zu früh verstorben sind. Man durfte zumindest den Eindruck gewinnen, dass Rat und Verwaltung bereit waren, das Engagement dieser beiden für Herford ernst zu nehmen.

Ansonsten habe ich oft den Eindruck, dass gute Ratschläge unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger eher als lästig empfunden werden?

Aber man hört doch aus dem Rathaus Begriffe wie Bürgerkommune. Versteht man denn nicht darunter die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger?

Scheffer: Das könnte man meinen. Bei der Bürgerbeteiligung im „Kleinen Feld“ habe ich erstmalig den Eindruck, dass hier eine echte Bürgerbeteiligung stattfinden könnte. Dazu gehört allerdings auch, dass die Planung der beteiligten Bürgerinnen und Bürger zu deren Lebzeiten umgesetzt wird.

Die Bürgerinnen und Bürger möchten ernst genommen werden. Sie möchten sehen, dass ihr guter Rat von den gewählten Vertretern im Rathaus sowie von der Verwaltung beherzigt wird.

Bedeutet das, dass Sie Zweifel an der Ernsthaftigkeit der stets besonders betonten Bürgerbeteiligung haben?

Scheffer: Ich vergleiche das mal mit meiner persönlichen Einbeziehung. So fiele mir spontan ein ganzer Strauß von Fällen ein, in welchen man seitens der Stadtverwaltung immer wieder versucht, selbst die die Bürgerinnen und Bürger vertretenden Ratsmitglieder möglichst in Unwissenheit zu belassen.

Für das wechselseitige Vertrauen ist das natürlich alles andere als förderlich.

Und wie kommen Sie in sol
chen Fällen an Informationen?

Scheffer: Indem ich zum Beispiel Akteneinsicht fordere. Ein Instrument, welches von vielen Ratskolleginnen und Kollegen nicht genutzt, bzw. sogar abgelehnt wird.

In welchen Fällen haben Sie Akteneinsicht gefordert?

Scheffer: Natürlich in Sachen MARTa. Was ich da erlebt habe, spottet jeder Beschreibung. Ich fasse es mal so zusammen: Niemand aus der Runde der wechselnden Verantwortlichen würde so auch nur eine Doppelgarage bauen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Übrigens: Das Ergebnis der Akteneinsicht zum Umbau der Schönfeldschen Villa war nicht minder ernüchternd.

Aber Sie stehen zu MARTa?

Scheffer: MARTa ist ein nicht wegzudenkender wichtiger weicher Standortfaktor. Namhafte örtsansässige Firmen, über die Herford erfreulicherweise verfügt, haben am Standort investiert, nachdem Herford mit MARTa kulturell eine deutliche Standortaufwertung erfahren hat. Die Gewerbesteuer belegt das.

Auch die von mir nach Herford geholten Investoren für das Kaufhof-Areal wären ohne MARTa nicht zu gewinnen gewesen.

Noch einmal zurück zu den Abwicklungen Herforder Bauvorhaben. Sie haben die Vergabe von städtischen Aufträgen auch öffentlich kritisiert. Weshalb?

Scheffer: Oh, ein brisantes Thema! Ja, das liegt zunächst einmal daran, dass wir bei den Vergaben öffentlicher Großbauaufträge offensichtlich im Vorfeld einen sonst überall üblichen gesunden Wettbewerb zu scheuen scheinen?

Ein aktuelles Beispiel ist da auch die Friedhofsbrücke. Der Planungsauftrag ist einem Ingenieurbüro erteilt worden, welches die Brücke zuvor, im Rahmen der von der Stadtverwaltung beauftragten Brückenprüfungen „kaputt geschrieben“ hat. Der jetzt errichtete Koloss zeigt, statt einer behindertengerechten filigranen Architektur, ein reines Ingenieur-Bauwerk, dessen „schlüpferblaue“ Farbe nicht darüber hinweg täuscht, dass für die Abnahme zunächst noch ein Umbau erforderlich ist.

Ich bin gespannt, wer die Kosten dafür trägt.

Dass Sie die städtischen Vergaben kritisiert haben, hat ja wohl zu einem noch laufenden Rechtsstreit des Bürgermeisters gegen Sie geführt?

Scheffer: Auch das stimmt. Als es um die auch vom Vorsitzenden des Bau- und Umweltausschusses öffentlich angeprangerten Vergaben ging, habe ich in einer Sitzung am 13. März 2008 den ehemaligen Bürgermeister Thomas Gabriel (CDU) bezüglich der Vergaben in Sachen Wall und Elsbachhaus wahrheitsgemäß zitiert. Ich habe ihm das übrigens schriftlich mitgeteilt und ihn aufgefordert, zu seinen Ausführungen mir gegenüber zu stehen.

Im übrigen hat der Bürgermeister sogleich die städtische Vergabeverordnung novelliert.

Und weshalb läuft das Verfahren nur gegen Sie?

Scheffer: Weil ich, anders als die anderen an der Diskussion beteiligten Rats- und Ausschussmitglieder eben zu dem stehe, was ich gesagt habe. Das sollte gerade in einer politischen Debatte so sein.

Es mangelt aber leider viel zu oft am Stehvermögen.

Eine letzt Frage: Was würden Sie tun, wenn Sie morgen im Stadtsäckel über unbegrenzete Mittel verfügen könnten?

Scheffer: Ganz klar. Ich würde einen Fonds schaffen, der sicherstellt, dass in Herford kein Kind ohne eine warme Mahlzeit pro Tag ins Bett geht. Und dann würde ich, gemeinsam mit der zuständigen Bezirksregierung, Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen versuchen, die ihren Beruf aus Berufung ausüben und zielorientiert Wissen vermitteln.

Wenn noch was übrig bliebe, würde ich die Sanierung von maroden Straßen vorfinanzieren und unsere Stadt grüner und freundlicher gestalten.