verfasst und vorgetragen von Ratsmitglied Heinz-Günther Scheffer
Sehr geehrtes Geburtstagskind,
lieber Josef, oder auch lieber Onkel Josef,
aber natürlich auch liebe „Kinny“,
liebe Familie Weber,
verehrte Gästeschar,
es freut mich natürlich ganz besonders, dass ausgerechnet mir die ehrenvolle Aufgabe zuteil wird, ein paar Worte an unser heutiges Geburtstagkind, dessen Familie – die Webers – aber auch an die große Familie – nämlich die Familie der Schausteller – richten zu dürfen.
Wenn ich hier stehen darf, so gibt es bei uns – lieber Josef – ja doch gleich eine ganze Fülle persönlicher Verbindungen. Ich will das gern kurz erklären, um Missverständnissen vorzubeugen:
So sind wir z.B. über 25 Jahre im Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein Herford e.V. verbunden. Gleiches gilt für die Schützengesellschaft zu Herford von 1832 e.V. Wir haben viele Jahre hervorragend zusammengearbeitet, als ich noch Vorsitzender des Verkehrsvereins Hiddenhausen e.V. war. Und inzwischen bin ich quasi ehrenamtlicher „freier Mitarbeiter“ der Firmen Weber, der schon mal einen Sattelschlepper für und mit Euch von A nach B fahren darf. (Nur deshalb habe ich schließlich gerade erst wieder – nach EU-Recht – meinen Lkw-Führerschein bis zum 60. Lebensjahr verlängern lassen.)
Ihr erinnert Euch, dass der amt. Bürgermeister in dem Zusammenhang bereits meine Befangenheit prüfen lassen wollte, als Ihr Schausteller im letzten Jahr Euer geschickt ausgeklügeltes neues Visions-Konzept – hier draußen – vor den Toren MARTas dem Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Herford präsentiertet.
Lieber Josef, liebe Gäste, wer sich einmal mit der Person des Herforders Josef Weber beschäftigt hat, der wird bestätigen, dass das natürlich nur im Kontext mit der Geschichte der großen „Herforder Schaustellerfamilie“ möglich ist.
Die späteren Schausteller – ich glaube, da sind sich zumindest die örtlichen Geschichtsforscher und Geschichtsschreiber einig – haben im hiesigen Raum ihren Ursprung bereits in Verbindung mit der Gründung des Frauenstiftes Herfords im Jahre 789.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen ganz kleinen Exkurs:
Bereits wenige Jahre später sollen sich – im Gefolge der reisenden Kaufleute – erste Gaukler, gewissermaßen Vorboten der heutigen Schausteller, in Herford eingefunden haben.
Man nimmt an, dass schon Kaiser Ludwig der Fromme (814-840) dem Reichsstift Herford das Markt-, Münz- und Zollrecht verliehen hat. Im Jahre 973 soll Kaiser Otto der Große diese Rechte der Herforder Äbtissin erneut bestätigt haben.
Im 9. Jahrhundert sollen dann Kaufleute auf dem „Wik“ – dem heutigen Stadtteil Radewig – ansässig geworden sein.
Auch Herr Dr. Pape vermutet, dass damals bereits erste Schausteller Herford zum Standquartier gewählt haben. Demnach würden die Anfänge der Herforder Schausteller bis in die Zeit der Entstehung unserer heutigen Stadt Herford zurückreichen.
Die „Vision 2008“ liegt gerade erst hinter uns.
Tatsächlich soll ja bereits im Jahre 1011 – durch die Gründung des Stiftes auf dem Berge – der sogenannte „Visionsmarkt“ entstanden sein, der zur Festigung eben auch des Schaustellerstandes geführt hat.
Gleichwohl finden die Herforder Schausteller – davon geht man bisher aus – erst seit dem 17. Jahrhundert in den schriftlichen Quellen Herfords Erwähnung.
Kehren wir zurück in „unsere“ Zeit:
Viele bekannte Herforder Schaustellerfamilien sind seit Generationen hier in Herford ansässig. Grund genug i.ü. für Herrn Dr. Pape, in der Festschrift zum 14. Delegiertentag des 1950 in Herford gegründeten Deutschen Schaustellerbundes e.V. – damals schon geschäftsansässig in Berlin – vom 20. bis 23. Januar 1963 im Herforder Schützenhof eine „Schaustellerabteilung“ für das Städtische Museum Herford zu fordern.
Sie sehen, auch hier gilt, wie in der Mode: „Alles kehrt wieder – alles ist neu“!
Nicht nur unser Jubilar Josef – der im Jahre 1963, 35-jährig, bereits 7 Jahre Mitglied des bereits 1895 gegründeten Mitteldeutschen Schaustellervereins Herford war und damals kurz vor der Selbständigkeit „auf eigenen Deckel“ stand – wird sich daran gern erinnern.
Dies auch, zumal die Idee, in Herford ein Schaustellermuseum, oder einen Park historischer Fahrgeschäfte zu installieren, bis heute – zuletzt zu Zeiten Theo Steigers – immer wieder gern aufgegriffen und diskutiert wird.
Ideenreichtum und Kreativität zeichnen, lieber Josef, Dich und Deinen Berufsstand nun einmal in besonderem Maße aus.
Deine/Eure Berufsgruppe – die Berufsgruppe der Schausteller – hat es geradezu mustergültig geschafft, ihre mobilen Betriebe, angefangen zum Beispiel mit öffentlichen Schaustellungen von Kuriositäten, mit Menagerien wilder Tiere, mit ihre Körper verbiegenden Artisten, oder auch mit Ketten sprengenden Kraftmenschen, zu zeitgemäßen hochtechnischen Schau- und Fahrgeschäften auszubauen, die den Kitzel des Menschen nach Spannung sowie Angst und Freude gleichsam befriedigen.
Hinzu kommt Euer lebenslang trainiertes und innerhalb der Familien vererbtes Organisationstalent und Geschick, welches selbst die Nacht zum Tage werden lässt und jedem Wetter trotzt.
Du, lieber Josef – aber auch Sie alle, liebe anwesende Schaustellerfamilien – sind mit Ihrem Berufsstand wichtige und verlässliche Partner unserer Stadt Herford.
Sie bringen sich – immer wieder neu – mit Ihrem unerschütterlichen veranstaltungstechnischen „know how“ ein, und leisten Ihren Beitrag dazu, Veranstaltungen mit einem Maximum an Werbewirksamkeit für die jeweilige Stadt zu entwickeln und konsequent durchzuführen.
Und genau das ist es, was in ganz besonderem Maße eben auch für unser heutiges Geburtstagskind Josef Weber und dessen wachsende Familie gilt.
Unser Jubilar Josef ist hier in Herford zur Schule „Wilhelmsplatz“ gegangen.
Wie die Kollegen hat auch Josef Weber seine Aktivitäten stetig gesteigert. Auch bei Josef ging es mit dem Thema „Artistik“ los. Dann folgte die „Schießbude“ der Familie Hirschhorn.
Weiter ging’s – für kurze Zeit (1/2 Jahr) – mit einem Bodenkarusell. Darauf wiederum folgte – so hast Du mir berichtet, Josef – das „Hoppla“, ein „Kugelspiel“.
Zwischenstationen bildeten wiederum das erste Kinderkarussell und eine Schießbude.
Dann war es die „Seesturm-Bahn“. Du, lieber Josef, hast mir berichtet, dass man in Booten über 4 Berge gleiten musste. Es habe sich dabei quasi um eine Art Vorstufe der „Raupenbahn“, mit welcher das „Küssen“ – jeder von uns erinnert sich gern – Einzug auf der Kirmes, den Marktplätzen hielt.
Das muss dann – Anfang der 50-er Jahre – auch die Zeit gewesen sein, in welcher das „Küssen“ auch für Dich ganz persönlich eine neue Bedeutung gewann.
Es trat Elfriede in Dein Leben. Weil sie Jüngste im Kreise der Geschwister war, h
ieß sie das „Kindchen“. Der Name „Kinny“ war geboren.
Du hast mir berichtet, dass Kinnys Vater damals wiederholt Deine spätere Schwiegermutter gefragt habe, was denn „der Weber“ da dauernd wolle. Und schon bald hatte er Kinny und Dich beim Küssen erwischt.
Dazu sei wiederum ein kl. Exkurs gestattet:
Als ich diese Zeilen gestern ein wenig vorbeitete, habe ich mal in Deinem Horoskop geblättert.
Dort heißt es zum Krebs-Mann u.a.:
Aufgrund seiner starken Sensibilität und ausgeprägten Einfühlsamkeit ist der Krebsmann ein zurückhaltender bis vorsichtiger Zeitgenosse, der zwar zu intensiven Gefühlen fähig ist, diese aber solange unter Verschluß hält, bis er sich seiner Sache (auch seiner Geliebten) sicher ist. Denn dieser Mann möchte sich zum einen wohl, zum anderen sicher fühlen. Nicht nur in Liebe, Ehe und Partnerschaft, sondern auch in beruflichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Ich bin dann noch einen Schritt weiter gegangen, und habe einmal in Dein chinesisches Horoskop geschaut. Demnach bist Du, lieber Josef, dort „Drache“, der folgendermaßen beschrieben wird:
In der Liebe gehört der Drache-Mann zu den Siegernaturen. Er hat das gewisse „Etwas“, was ihn beim weiblichen Geschlecht so unwiderstehlich macht. Er selbst fühlt sich auf Dauer nur zu einer starken Partnerin hingezogen.
Und weiter heißt es in Deinem chinesischen Horoskop:
Der Drache-Mann hat viele positive, aber auch negative Charakterzüge. Er ist geistvoll, hochbegabt und großzügig. In demselben Maße aber auch egoistisch, extravagant, kompromisslos und entsetzlich unvernünftig. Er ist sehr stolz, impulsiv und sprüht vor Kraft und Vitalität. Der Drache-Mann denkt und handelt in groß-zügigen Maßstäben!
Zusätzlich sorgt er immer für Aktivitäten. Energiegeladen und zielbewusst versucht er, Ideen in die Praxis umzusetzen. Er besitzt eine außergewöhnliche Phantasie und die Gabe, andere von seinen Plänen so zu überzeugen, dass diese begeistert mitmachen. Arbeit macht ihm Spaß. Sie gehört zu seinem Leben wie die Luft zum Atmen.
Drache-Geborene nehmen es mit jedem Gegner auf und scheuen kein Hindernis. Überall und jederzeit sind sie einsetzbar, um jedes Projekt in Angriff zu nehmen. Ihre Devise heißt Handeln! Sie stehen zurecht im Ruf, auch dann die Führung zu übernehmen, wenn es besonders unangenehm ist. Bei soviel persönlichem Einsatz bleibt der Erfolg selten aus!
Drache-Geborene lassen sich nicht unterordnen oder in ein Schema pressen. Ihre Unabhängigkeit geht ihnen über alles. Nur wenn sie sich frei fühlen, können sie ihren ganzen Ideenreichtum voll zum Einsatz zu bringen. Zielbewusst erreichen sie fast alles, was sie wollen. Notfalls improvisiert der Drache-Mann, denn für alle Fälle hat meist noch ein zweites Konzept im Ärmel.
Der Drache-Mann ist ein liebenswerter Zeitgenosse. Süßholzraspeln ist unter seiner Würde. Deshalb ist er grundsätzlich direkt. Wenn er provoziert wird, kann er hart und erbarmungslos reagieren. Ist er verärgert, ist er dickköpfig. Sobald der Zorn vorüber ist, wird er sofort wieder verzeihen. Drache-Geborene sind nicht nachtragend!
Ein Drache hat viele Bewunderer, aber noch mehr Neider. Geist, Energie und ein eiserner Wille sind sein Statussymbol. Gerissenheit und Tücke sind ihm fremd. Hinterlistige Intrigen und Ränkespiele liegen nicht auf seiner Wellenlänge.
Mit Geld geht der Drache-Mann stets großzügig um, obwohl er kein Verschwender ist. Außerdem ist er durch seine positive Lebenseinstellung nicht so leicht unterzukriegen.
Es stellt sich natürlich die Frage, weshalb der chin. Astrologe ausgerechnet Dich, Josef, so trefflich beschreiben konnte?
Zurück in’s Jahr 1952. Josef und Kinny heirateten. Beide arbeiteten sodann 16 Jahre im Geschäft der Mutter, bzw. Schwiegermutter, bis Josef und Kinny sich schließlich – 1968 – selbständig machten.
Wenn ich das richtig erinnere, habt Ihr damals – nach der Honigkuchenbude – ein Karussell – den „Pilz“ – vom Kollegen Schemel erwerben können.
Du, lieber Josef, hast mir kürzlich berichtet, dass es bis zu Eurer Selbständigkeit von der Schwiegermutter als Wochenlohn eine Art „Taschengeld“ in Höhe von 5 Reichsmark sowohl für Kinny als auch für Dich gegeben habe.
Was Eure Selbständigkeit betrifft, so habe ich mich in der letzten Woche mal in’s Kommunalarchiv begeben, und dort ein wenig die verstaubten Ordner zu den Herforder Volksfesten gewälzt.
Ich musste nicht lange suchen, um lesenswerte Passagen zu Eurem Berufsstand – aber auch zu Euch – zu finden.
Und wieder musste ich – wie zuvor – feststellen: „Alles kehrt wieder – alles ist neu!“
So stieß ich – neben zahlreichen anderen Unterlagen – z.B. auf einen interessanten Zeitungsartikel aus dem Herforder Kreisblatt:
„Die heiße Periode im vergangenen Sommer habe sich ebenso nachteilig auf das Schaustellergeschäft ausgewirkt, wie die Erhöhung des Marktstandgeldes durch verschiedene Verwaltungen. Leider hätten Behörden auch Verlegungen von Messen und Märkten vorgenommen.“
Von wann mag der Artikel sein?
Er stand am 18. Januar 1958 (Unser Jubilar war also 30 Jahre alt; Thomas noch nicht geboren.) im Herforder Kreisblatt, und es handelte sich um Worte Wilhelm Krameyers am 17. Januar 1958 anläßlich der Generalversammlung des Mitteldeutschen Vereins reisender Schausteller (Sitz Herford) bei „Bracksiek“.
Diese Worte erscheinen – lieber Josef, liebe Gäste – auch mir aktueller denn je.
In die Hände fiel mir auch ein Antrag Wilhelm Krameyers vom 10. Juli 1957 an die Stadtverwaltung Herford.
Darin ging es um die „Überlassung“ des „Lübberbruchs“ für das traditionelle „Herbstfest“ 1957. Ersatzweise bittet er um Zuweisung der „Kiewiese“, auf der 1958 die „Vision“ stattfand.
„Tausende besuchten schon in den ersten Tagen das Volksfest“, berichtet die örtl. Presse am 16. Juni 1958.
1960 befindet sich sodann der erste „böse Brief“ der Anlieger der Leipziger Straße im Archiv.
1962 – Josef war 34 Jahre alt – berichtet selbst die örtl. Presse bzgl. des Kongresses der Europäischen Schausteller-Union mit Familienminister Würmeling in Hamburg, an welchem acht Delegierte und rd. 50 Miglieder des Herforder Vereins fahrender Schausteller teilgenommen haben.
In dem Artikel, der auch auf die bereits erwähnte Delegiertentagung des Deutschen Schaustellerbundes 1963 in Herford hinweist, heißt es:
„Die Stadt Herford sei, so sagte Herr Steiger in der Pressekonferenz, geradezu ein Schulbeispiel dafür, wie die Schausteller mit ihren Veranstaltungen immer mehr an die Peripherie der Stadt abgedrängt würden. In anderen Städten würde sich das kaum so auswirken wir gerade in der Werrestadt. Seitdem die Vision nicht mehr auf dem Lübberbruch, sondern auf dem Platz in der Kieweise abgehalten werden müßte, sei der Umsatz mindestens um 30 bis 40 % zurückgegangen. Bei Schlechtwetterperioden sei der Umsatzrückgnag noch wesentlich höher.“
Zum Herbstvolksfest 1966, lieber Josef, fiel mir dann bereits eine Teilnehmerliste in die Hände, in welcher
es u.a. heißt:
Josef Weber, Kinderkarussell, 8 x 8 mtr.
An Fahrgeschäften sind dort u.a. genannt die Kollegen Ewald Robrahn, Gebr. Parpalioni, Peter Usenko, Heinz Welte, Fritz Wurms, Erich Weber, Willi Schemel und Hans Schneider.
Im gleichen Jahr, am 23. November 1966, berichtet die Presse, dass man den 1934 zum letzen Mal durchgeführten Herforder Weihnachtsmarkt wieder auflebe, der – so heißt es – am Freitag durch Oberbürgermeister MdB Dr. Kurt Schober eröffnet werde. Es handele sich dabei um eine Werbemaßnahme der Herforder Kaufmannschaft.
Weiter schreibt die Westfälische Zeitung:
„Mit dem Weihnachtsmarkt wird eine alte Herforder Tradition wieder wach. Auf dem Alten Markt werden verschiedene Verkaufsbuden, die Süßigkeiten, Lebkuchenherzen und dergleichen anbieten, ein Pony- und ein Kinderkarussell(!) sowie die Kortesche Orgel zum Verweilen einladen.
Die Rückseiten der Verkaufsbuden, eine insgesamt 44 m lange Front, werden von dem Grafiker Karl-Heinz Schoffer (Schützenbruder übrigens der 1. Kompanie) in 5 m Höhe mit Motiven jener Häuser versehen, die einstmals dem Alten Markt in Herford ihr Gepräge gaben. So das alte Rathaus, so aber auch die alten Fassaden der Häuser Kox, Föge, Hilker, Siepe, Lang Wellhölter und die alte Apotheke.“
„Nicht nur in der Stadt Herford wird man diesen Weihnachtsmarkt freudig begrüßen, den die Anlieger ohne irgendwelchen Zuschuss von irgend einer Seite durchführen.“
„Die Werrestadt, und das sollte man einmal deutlich sagen, bietet der Stadt Bielefeld nicht nur mit diesen Maßnahmen – es sei an dieser Stelle auch an die Bemühungen der Anlieger am Neuen Markt und an der Rennstraße/Rennplatz sowie in der Radewig erinnert – Paroli.“
Der Weihnachtsmarkt auf dem Alten Markt, lieber Josef, liebe Schausteller, erfreut sich bis heute größter Beliebtheit, und – ungeachtet aller Trägerschaften – soll der legendäre Verkehrsdirektor Heinz Schön einmal gesagt haben: „Marktmeister auf dem Alten Markt ist und bleibt Josef Weber!“
Beim Durchstöbern alter Unterlagen fand ich aber auch einen von Hermann Heitmann als damals 1. Schriftführer unterschriebenen und mit „Eingabe“ überschriebenen Brief vom 08. Dezember 1966 an die Stadtverwaltung Herford, dessen Inhalt mich spontan an die zum Teil verschneite diesjährige Osterkirmes erinnerte.
Darin heißt es unter Betreff: Ermäßigung des Standgeldes um 50 % anlässlich des Weihnachtsmarktes.
„In der am heutigen Abend durchgeführten Vereinsversammlung wurde von mehreren Kollegen, die zum Weihnachtsmarkt ihre Geschäfte auf städtischen Grundstücken aufgebaut haben, die Bitte vorgebracht, der Stadtverwaltung zu empfehlen, in Anbetracht der frühen Polizeistunde und des hohen Strombedarfs, aufgrund des trüben Wetters das Platzgeld um 50 % zu ermäßigen.
Wir hoffen, dass unsere Empfehlung wohlwollend behandelt wird. Es zeichnet hochachtungsvoll der Vorstand i.A. Hermann Heitmann, 1. Schiftführer“
Liebe Schausteller, liebe Gäste, was meinen Sie, wie die Stadtverwaltung – bestätigt durch Herrn Dr. Abel – seinerzeit reagiert hat?
Unter dem 13. Dezember 1966 schreibt der damalige Stadtamtmann Gockel mit einem Sichtvermerk des Stadtkämmerers:
„Nach § 2 der Satzung für die Erhebung von Platzmieten ist eine Ermäßigung der Standgelder in besonderen Fällen ausdrücklich vorgesehen. Eine Ermäßigung auf 50 % dürfte hier ohne weiters zu vertreten sein, da der Geschäftsbetrieb mit dem Ladenschluss eingestellt wird, während sonst die Märkte bis 22:00 Uhr oder gar 22:30 Uhr laufen. Außerdem sind auch an mehreren Tagen die Witterungsverhältnisse so schlecht, dass von den Schaustellern kaum Einnahmen erzielt werden.
Es wird daher vorgeschlagen, dem Antrag des Schaustellervereins zu entsprechen und jeweils 50 % des für die einzelnen Schausteller festgesetzten Standgeldes zu erlassen.“
Lieber Josef, Du warst damals 38 Jahre alt, und wirst Dich gern und oft an diese ständig wiederkehrende schaugewerbetypische Problematik erinnern, die mal auf mehr und mal auf weniger Verständnis im Rathaus trifft.
Damals übrigens Grund genug für eine Art „Krisensitzung“ der „Weihnachtsmarktmacher“ am 18. April 1967 im Hinblick auf den „Herforder Weihnachtsmarkt“ 1967.
Es trafen sich Verkehrsdirektor Schön, Oberinspektor Wortmann sowie die Herren Köhler und Nowottny.
Im Protokoll ist nachzulesen:
„Es soll von Herrn Wortmann geklärt werden, ob die Eisenbahn des Herrn Rau und ein Kinderkarussell mit ungefähr 7 m Durchmesser des Herrn Josef Weber zusammen, bzw. nebeneinander Aufstellung finden können. Ausserdem soll ein Lebkuchenwagen von Alex Weber bzw. Frau Niekisch Aufstellung finden sowie ein solcher von Herrn Hirschhorn mit einer Mandelbrennerei.
Herr Reckendorf wird von uns in seiner Eigenschaft als Fleischer-Innungsobermeister angesprochen, einen dem Charakter des Weihnachtsmarktes besser passenden offenen Würstchenstand zu errichten.
Herr Wortmann wird über das Bauordnungsamt bei Herrn Oberbaurat Kunkel veranlassen, dass feste Punkte für die Verankerung der Kulissen und Masten für die Beleuchtung geschaffen werden. (Lieber Josef, wir haben uns darauf verständigt, dass ich auf Dein „Scharmützel“ mit Herrn Oberbaurat Kunkel anläßlich Deines Hausbaus im Jahre 1972 hier und heute nicht weiter eingehe.)
Zur Eröffnung ist vorgesehen, evtl. eine Hubschrauberlandung auf dem Rathausplatz zu veranstalten, wobei der Weihnachtsmann (evtl. Herr Wilhelm) aus dem Hubschrauber heraussteigt und dem Oberbürgermeister einengoldenen Schlüssel zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes überreicht. Evtl. kann auch Herr Stranghöner vom Reitverein Herford eine 6-spännige Kutche stellen.“
Lieber Josef, liebe Schaustellerkollegen, vieles könnte man hier anführen. Es würde den Rahmen sprengen.
Eines sei vielleicht erwähnt. Es war im Jahre 1968. Unser Josef war also 40 Jahre alt – genau halb so alt wie heute:
Da hatte die Stadt Herford bereits – so die von mir gesichteten Unterlagen – zur Vision die Firma Jochmann aus München bzgl. der Aufstellung eines Bayernzeltes während der Vision unter Vertrag genommen.
Aus welchen Gründen auch immer reiste die Firma Jochmann nicht an.
Wir sehen daran, die Zeit, an das Münchner Oktoberfest anzuknüpfen, muss damals noch nicht reif gewesen sein.
Gleichwohl war es aber bereits auch damals die Herforder Anwaltskanzlei Dr. Wiebe, die vom städt. Rechtsrat Dr. Max Willebrand gegen die Münchner Firma Jochmann bzgl. des Standgeldausfalls mandatiert wurde.
Es mag den einen od. anderen amüsieren, wenn es in einem Schreiben des Rechtsrates Willebrand vom 10. Dezember 1968 an Herrn Dr. Wiebe u.a. heißt:
„Nach Ansicht von Herrn Wortmann wird man annehmen können, dass die Firma Jochmann im Winter in München ist und genügend pfändbares Vermögen besitzt.
Herr Wortmann rät daher, möglichst bald eine Pfändung zu versuchen. Sollte diese erfolglos bleiben, werden wir uns mit anderen Städten in Verbindung setzen und feststellen, welche Orte die Firma Jochmann im Sommer aufsuchen wird; dort müsste dann versucht werden, die Kasse zu pfänden.“
Liebe G&aum
l;ste, verzichten wir darauf, diese kl. Geschichte bzgl. der „Kampfbereitschaft“ der Stadtverwaltung Herford zu kommentieren.“
Zurück zu unserem Geburtstagskind: Im Herbst 1969 weist die Teilnehmerliste für das Herbstvolksfest 1969 bereits folgenden Eintrag auf:
Josef Weber, Kindersportkarussell, 11 x 11 m.
Unter den Fahrgeschäften zum Voksfest tauchen dann wieder die Geschäfte von Johann Weber, Erich Wurms, Willy Schneider, Arno Tacke, Erich Weber und Walter Laffontien auf.
1972 fällt dann bereits wieder ein „böser Brief“ vom 19. Juni 1972 – in diesem Fall des Geschäftsführers des Gaststätten- und Hotelgwerbes der Kreise Herford, Lübbecke und Minden – auf.
Man fragt darin beim Oberstadtdirektor nach, man habe durch die Presse erfahren, dass in Herford der Plan bestehe, Volksfeste und Visionen in Zukunft teilweise in die Innenstadt zu verlegen.
Sollte dem so sein, seien bei der Vergabe der Stände die anliegenden Gastwirte zu berücksichtigen, da man für diese eine erhebliche Geschäftsminderung erwarte, wenn vor deren Haustüren „Fremde“ (gemeint sind die Schausteller) einen Ausschank erhalten würden etc.
Prompt folgt ein Schreiben Max Willebrands vom 15. Dezember 1972 an den Mitteldeutschen Verein reisender Schausteller, z.H. Kurt Freitag, in welchem es u.a.heißt:
„Aufgrund einer Absprache während der Herforder Vision ist von Ihnen bzw. von anderen Mitgliedern Ihres Vereinsvorstandes ein Vorschlag ausgearbeitet worden, wie nach Ihrer Ansicht sich ein Markt in der Innenstadt abwickeln läßt. Diese Planunterlagen wurden im Herbst eingereicht; leider jedoch so spät, dass eine Behandlung in den Ausschüssen vor dem Herbstmarkttermin nicht mehr möglich war.
Inzwischen ist von uns ein Alternativvorschlag ausgearbeitet worden. In der nächsten Sitzung des Arbeitskreises „Herforder Vision“, die voraussichtlich im Januar 1973 stattfindet, wird über diese Vorschläge beraten und dann eine entsprechende Empfehlung an den Hauptausschuss gerichtet.
In diesem Ausschuss bzw. im Rat der Stadt wird dann die endgültige Entscheidung fallen. Über diese Entscheidung werden Sie dann sofort unterrichtet.“
Wem wäre – lieber Josef, liebe Schausteller – dieser Wortlaut nicht 1 : 1 bekannt.
Auch die weiteren damaligen Schriftstücke der Verwaltung habe ich gesichtet. Schließlich heißt es in der Niederschrift über die Sitzung des Hauptausschusses am 21. Februar 1973:
„Nach eingehender Erörterung erklärte man sich bereit, das Herbstvolksfest versuchsweise in diesem Jahr in der vorgeschlagenen Form vom 05. – 07. Oktober 1973 in der Innenstadt durchzuführen.
Die Schausteller sollen jedoch darüber nicht im unklaren belassen werden, dass es sich um einen Versuch handelt und dass mit der einmaligen Genehmigung kein Rechtsanspruch auf Durchführung eines Herbstvolksfestes in den nächsten Jahren in der Innenstadt besteht.“
Dazu darf festgestellt werden, dass zumindest dieses Fest an diesem Ort in diesem Jahr immerhin 35 Jahre Bestand hat.
Die Neue Westfälsiche zitiert – neben dem Vorsitzenden des Visions-Ausschusses (man höre) Kurt Oldemeier – dazu am 26. September 1973 Heinz Schön: „Wir erwarten zu dieser ersten großen „City-Kirmes“ 50.000 Besucher!“
Es sei mir noch ein letzter Hinweis auf den Adventsmarkt 1983 – Du, lieber Josef – warst so alt wie ich heute – gestattet, zu dem es in der Presseberichterstattung bemerkenswerterweise heißt:
„Es wird eine umfassende Plakatwerbeaktion im weiten Umland durchgeführt, die den Bereich Hiddenhausen, Löhne, Enger, Spenge, Vlotho, Bünde, Kichlengern und Rödinghausen und darüberhinaus die benachbarten Badestädte Oeynhausen und Salzuflen umfasst.“ Das war vor 25 Jahren!
Lieber Josef, liebe Schaustellerkollegen Josefs, Ihr könnt Euch vorstellen, dass ich diesen Reigen an Berichterstattungen und Zitaten endlos fortsetzen könnte.
Eines steht fest: Es hat sich in all den Jahren sozusagen nichts geändert!
„Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten“ lautet die lapidare „Fußballweisheit“ die dem ehemaligen deutschen Bundestrainer Sepp Herberger zugeschrieben wird.
Bezogen auf das „Zusammenspiel“ zwischen dem Berufsstand der Schausteller und der Schaustellerstadt Herford fiele einem gewiss ebenfalls manch treffliche Weisheit ein.
Eines darf man aber ganz sicher – zumidnest für die zurückliegenden 60 Jahre Herforder Volksfestgeschichte, wie für Dein Berufsleben, lieber Josef – feststellen:
Zu einem Volksfest gehört ein Kinderkarussell, an welchem der Name „Weber“ steht.
Darin sitzen – durch nichts voneinander zu trennen – eine Frau und ein Mann. Sie heißt Kinny; er heißt Josef.
Sie verfügen über dieses besondere Schaustellerherz, welches nun einmal den Stoff in sich trägt, unermüdlich Freude in die Welt zu tragen.
Dass uns das noch viele Jahre hier bei uns in Herford zuteil werden möge, darauf möchte ich mein Glas erheben und mit Dir, lieber Josef und mit Dir, liebe Kinny, auf Euch, auf die Schaustellerstadt Herford und den heutigen Tag, Deinen 80. Geburtstag, lieber Josef, anstoßen.
Josef Weber, er lebe hoch!
Herzlichen Dank!