Bürgerinitiativen aus Ostwestfalen organisieren sich im Abwasserstreit/“Bluff mit Zwangsmaßnahmen“

Minden/Hille, 28. Febr. 2011   Netzwerk rüstet sich gegen Detmold

VON ULF HANKE (Mindener Tageblatt)

An der heimischen Bergkante braut sich mächtig Ärger über geplante Abwasserregelungen zusammen.

Untersuchungen der Abwässerkanäle unter anderem mit Kameratechnik sind Bestandteil der Auflagen.
Untersuchungen der Abwässerkanäle unter anderem mit Kameratechnik sind Bestandteil der Auflagen. | Foto: Kiel-Steinkamp

Am Freitagabend haben sich in Hille-Rothenuffeln erstmals neun Bürgerinitiativen aus den Kreisen Minden-Lübbecke, Herford und Lippe getroffen. Sie vertreten zusammen mehr als 1000 Hausbesitzer. Ihre Sprecher, darunter Fritz Pucher von der Interessengemeinschaft Abwasser Haddenhausen, werfen der Detmolder Bezirksregierung „Abwasserunsinn“ und „Bluff mit Zwangsmaßnahmen“ vor.

Anlass zum Aufruhr unter den Hausbesitzern sind die landesweit vorgeschriebenen Prüfungen der Kanalrohre und die damit verbundenen Reparaturkosten, laut Bürgerinitiativen durchschnittlich 12500 Euro pro Grundstück (das MT berichtete). Teilnehmer des Treffens forderten einen „Marsch der 5000 auf Düsseldorf“ und sagten „eine Bewegung, größer als Stuttgart 21“ voraus.

Im Einzelnen machen die Bürgerinitiativen die zuständigen Abwasserfachleute von Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl (FDP) für „besonders bürgerun-freundliche Auslegungen“ der Gesetzestexte verantwortlich und werfen den zuständigen Dezernenten vor, städtische Wirtschaftsbetriebe wegen des häufig hohen Grundwasseranteils in der Kanalisation – das sogenannte Fremdwasser – unter Druck gesetzt zu haben. Nach Ansicht der führenden Köpfe des Netzwerks hat die Bezirksregierung in Detmold keine Handhabe gegen die Betreiber, weil die Klärwerke einwandfrei funktionierten.

„Das ist ein Bluff“, sagte der Agraringenieur Fritz Pucher und der Planungsingenieur Jürgen Langmann ergänzte: „Fremdwasser ist kein ökologisches, sondern ein ökonomisches Problem.“ Bauingenieur Michael Specht vermutete: „In Detmold wird das fremdwasserfreie NRW propagiert.“

Verschärfung statt Verbesserung

Die drei Sprecher gehören zu einem Kreis von Ingenieuren und Hausbesitzern, die seit 2008 der Bezirksregierung die Stirn bieten und gegen den Kanalsanierungszwang ankämpfen. Das Ergebnis einer 170 Seiten starken Petition an den Landtag war aus ihrer Sicht keine Verbesserung, sondern eine Verschärfung der landesweiten Richtlinien. Das Umweltministerium schreibe nun einen Zeitrahmen von höchstens zwei Jahren zur Sanierung verbindlich vor und verbiete Hausdrainagen an Abwasserrohren. „Das haben die Experten aus Detmold veranlasst“, sagte Fritz Pucher und verwies auf aus Sicht der Bürgerinitiativen bürgerfreundlichere Regelungen in Lünen.

Auch die Lobby der Hauseigentümer hat Tuchfühlung mit der Bürgerbewegung gegen die Dichtigkeitsprüfungen aufgenommen. Thorsten Post, Geschäftsführer von „Haus und Grund“ in Minden, stellte bei dem Netzwerk-Treffen über den Sanierungszwang fest: „Das bedeutet ganz bestimmt keine Wertsteigerung der Gebäude.“

Bei dem OWL-Treffen am Freitagabend verabredeten die Initiativen Leserbriefkampagnen in den Lokalzeitungen der Region und munitionierten sich mit Argumenten. Anwesend waren Hausbesitzer aus Alverdissen, Frille, Haddenhausen, Häverstädt, Herford, Löhne, Lübbecke, Vlotho und Warendorf. Enge Kontakte bestehen zu ähnlichen Initiativen in Aachen, Bielefeld-Gadderbaum, Heek, Isselburg und Wadersloh.

Im Frühjahr 2011 stehen in allen Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen Ratsbeschlüsse zur Dichtigkeitsprüfung an. „Das betrifft jeden Hausbesitzer“, sagte Pucher und forderte unter großer Zustimmung der Versammelten: „Machen sie ihren Ratsherren die Hölle heiß!“