Eine Entscheidung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger Herfords?

1170687620left_about_EON.jpgHerford, 18. August 2008 Was wird heute konkret beschlossen?

Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute tritt der Rat der Stadt Herford in einer Sondersitzung zusammen, um zum einen eine weitere nachhaltige Entscheidung bzgl. unserer städtischen Beteiligung in Höhe von 10,6 % an E.ON Westfalen Weser AG (EWA) zu treffen, nachdem wir zuvor Kenntnis davon erhalten haben, dass E.ON Energie AG und die sechs Vorstände von sieben ReVUs beabsichtigen, im Rahmen des Projekts „regi.on“ gemeinsam eine neue Regionalstruktur zu entwickeln.

Zum anderen geht es E.ON darum, dass die Stadt Herford, bzw. die HBG zum 31. Dezember 2008 IAE-Anteile in Höhe von 3,9682 % an E.ON Energie München oder eine E.ON-Tochter veräußern soll.

Es geht – auch bei diesen Entscheidungen – für uns als Entscheidungsträger darum, unserem Gewissen folgend, Entscheidungen zu treffen, die sich mit den Interessen der von uns vertretenenen Bürgerinnen und Bürger decken.

Dabei geht es – um das noch einmal deutlich zu sagen – nicht darum, eine Entscheidung allein im Sinne der m.E. langfristig eh unsicheren ca. 385 E.ON-Arbeitsplätze am Standort Herford zu treffen, sondern darum, möglichst eine Entscheidung im Sinne der ca. 65.000 Einwohner Herfords und darüber hinaus zu treffen.

In dem Punkt sei mir der Hinweis auf die in der letzten Woche den örtlichen Zeitungen zu entnehmenden zustimmenden Leserbriefe des E.ON-Geamtbetriebsratsvorsitzenden Reinhard Luhmann gestattet, die ich von ihrer Motivation her durchaus nachvollziehen kann.

 

Ich denke, wir sind uns jedenfalls grundsätzlich einig in dem Punkt, dass die Interessen der Vertragspartner ganz erheblich divergieren.

In dem Zusammenhang sei es gestattet, an dieser Stelle einmal drei Personen zu zitieren:

„Unsere Geschäftstätigkeit reicht über die Grenzen Deutschlands hinaus. Wir sind ein zunehmend internationaler Konzern und verantworten als 100 %-ige Tochter der E.ON AG das gesamte Geschäft in Zentraleuropa. Unsere Tochtergesellschaften reichen von Belgien und den Niederlanden über Deutschland, Tschechien und Ungarn bis nach Bulgarien und Rumänien. In zwölf Ländern sind wir bereits im Strom- und Gasgeschäft sowie bei Erzeugungsprojekten aktiv. Und jetzt, voraussichtlich noch diese Woche, kommt ein weiteres Land hinzu: Frankreich.

Ich bin stolz, sagen zu könen, dass wir in Deutschland beim Thema Wettbewerb sehr erfolgreich sind. Vor knapp anderthalb Jahren haben wir eine Tochtergesellschaft gegründet – „E wie Einfach“. Die Dynamik, die dieses Unternehmen ausgelöst hat, ist im Energiesektor einzigartig.

„E wie Einfach“ ist immer noch der einzige bundesweite Anbieter von Strom und Gas. Seit dem Start haben wir 800.000 Kunden akquiriert. und „E wie Einfach“ wird weiter wachsen.“

So Dr. Klaus-Dieter Maubach (46), Vorsitzender des Vorstands der E.ON Energie AG, auf der Jahrespressekonferenz der E.ON Energie AG am 24. Juni 2008.

Am Wochenende habe ich in einer örtl. Zeitung ein Interview gelesen, in welchem Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sagen, eben dieser Herr Maubach habe Ihnen in einem Gespräch(!) versichert, dass E.ON großen Wert auf die „kommunale Partnerschaft“ lege.

Exakt gleich lautete übrigens auch die Antwort des Herrn Villis, damals Chef von EWA, auf meine an ihn gerichtete Frage hier in diesem Saal anlässlich des Auslaufens der Frist für die Putoption. Hans-Peter Villis ist heute bekanntlich Chef des Wettbewerbers EnBW.

Klaus-Dieter Maubach war übrigens von 1998 – 2001 ltd. Mitarbeiter – zuletzt gar Vorsitzender(!) der Geschäftsführung – der Wesertal GmbH Hameln. Der Standort Hameln ist – wie Sie bestätigen werden – trotzdem aufgelöst worden.

„Wir sind ein internationales Wirtschaftsunternehmen, das Geld verdienen muss. Und wir sind ein Konzern, der neue Arbeitsplätze schafft – allein 12.300 im vergangenen Jahr, davon 4.700 in Deutschland. In diesem Jahr sind schon weitere 1.000 dazugekommen. Zudem werden wir bis 2010 insgesamt 60 Milliarden Euro investieren, ein Viertel davon in Deutschland. Das alles kann nur ein Unternehmen, das provitabel arbeitet.

Für das, was Strom an Lebensqualität bietet, ist Strom eigentlich zu billig, wenn wir ehrlich sind.

Bei einem normalen Energieverbrauch kostet der Strom einer dreiköpfigen Familie täglich etwa so viel wie eine Kugel Eis pro Kopf.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sagt Wulf Hinrich Bernotat, Vorsitzender des Aufsichtsrates, dessen Vergütung 2006 gegenüber 2004 um 63 % auf eine Jahreseinkommen von € 5,72 Mio. angehoben worden ist. Das entspricht – der Vergleich sei gestattet – etwa dem 20-fachen Jahreseinkommen des früheren EMR-Chefs Manfred Ragati. Bernotat ist u.a. auch im Aufsichtsrat der Allianz. Möglicherweise ein Grund dafür, dass es hier und dort bereits heißt, die Allianz wolle von E.ON die Netze erwerben.

Lassen Sie mich jemanden Dritten zitieren:

„Ich werde die Stadt als Bürgermeister für alle führen, nur dem Wohl ihrer Menschen verpflichtet. Für die, die heute hier leben und im Blick auf jene, die nach uns hier sein werden.“

So Bruno Wollbrink in seiner persönlichen Wahlkampf-Broschüre im Wahljahr 2004.

Vor dem Hintergrund dieses Anspruchs stellt sich mir, sehr geehrter Herr Bürgermeister, die Frage, wie es zum Inhalt der heutigen Ratsvorlagen gekommen ist, bzw. kommen konnte.

In Verbindung mit Wahlen hört man gern die Losung: „Wer kämpft, hat ’ne Chance – wer nicht kämpft, hat schon verloren!“

Wer hat hier für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger wie gekämpft? Wer waren die handelnden Personen?

Haben Sie z.B. auch – meinem pers. Rat folgend – Kontakt zu Herforder Bürgern aufgenommen, die mit Managern wie Wulf Bernotat beim Golfspiel am Tegernsee über die Zukunft der Ver- und Entsorgung in Deutschland diskutieren.

Bei Entscheidundungen dieser Tragweite kommt es eben – im Sinne der Interessen der von uns vertretenen Bürgerinnen und Bürger – darauf an, dass man am Tisch sitzt, wenn die Karten gegeben werden.

Haben Sie – gemeinsam mit dem Paderborner Bürgermeister Heinz Paus (CDU), einem Freund und Anwaltskollegen übrigens Reinhard Göhners – Strategien erarbeitet, bzw. zumindest erwogen, werthaltigere Verhandlungsergebnisse zu erzielen? Gemeinsam halten wir immerhin rd. 20 % an EWA.

War es – in Verbindung mit Ihren Verhandlungen mit E.ON – klug, den Strom für die öffentlichen Gebäude der Städte im Kreis Herford – mit Ausnahme Spenges – statt bei E.ON, bei den Stadtwerken Flensburg einzukaufen? Unsere Ersparnis per anno ist vergleichsweise gering; die negative Wirkung hingegen immens.

Wie wollen Sie, im Falle der sich ja wohl bereits abzeichnenden Entscheidung für Ihre Vorlage, die Bürgerinnen und Bürger Herfords partizipieren lassen, denen Sie hoffentlich die Zahlen konkret offen legen werden?

 

In Verbindung mit den jetzt ansteheenden Beschlüssen ist gar die Rede davon, dass Sie die an E.ON veräußerten Stadtwerke-Anteile in Höhe von 22,7 % zurück zu erwerben versuchen wollen.

Meinen Sie nicht, dass diese Entscheidung vorab zu treffen und mit E.ON konkret zu verhandeln gewesen wäre?

Und glauben Sie ernstha
ft, angesichts der Aussagen der Herren Bernotat und Maubach, dass wir künftig mit den Stadtwerken Herford eine realistische Chance haben, gegenüber den Großkonzernen wie E.ON, die auch das Gas-Geschäft abdecken, bestehen zu können, oder auch nur wettbewerbsfähig zu sein?

Und was geschieht – vorausgesetzt Ihre Beschlussvorlagen finden heute eine Mehrheit – generell mit den evtl. zu generierenden „Einmal-Beträgen“ aus den Verkaufserlösen?

Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Stadt Herford seinerzeit – m.E. strategisch klug – E.ON-Anteile hinzu erworben hat, deren Finanzierung des Kaufpreises einen fortlaufenden Kapitaldienst auslöst?

Die unabhängige Ratspartei Liste 2004 – Initiative für Herford“ jedenfalls erwartet, dass das gesamte sich ergebende Zahlenwerk den allemal betroffenen Bürgerinnen und Bürgern Herfords offen gelegt wird.

Heinz-Günther Scheffer