Herforder Bürgermeister erschien als einziger ohne Amtskette

Quedlinburg/Herford, 03. Okt. 2010

80 Bewerber auf Brautschau

VON ANDREAS BÜRKNER

Herforder Bürgermeister erschien als einziger ohne Amtskette

Die Bürgermeister der Unionsstädte (v.l.) Klaus Burhenne (Hann. Münden), Eberhard Brecht (Quedlinburg), Susanne Lippmann (Hameln), Dirk-Ulrich Mende (Celle) und Bruno Wollbrink (Herford). (FOTO: ANDREAS BÜRKNER)

Quedlingburg mz. Als sich Ende 1989, Anfang 1990 der Runde Tisch in Quedlinburg konstituierte, war Gottfried Biller plötzlich der einzige anwesende Kirchenvertreter. Doch weil nach dem Vorbild anderer Städte ein solcher die Leitung übernehmen sollte, blieb ihm nur eines – er machte es einfach.

Dieser Rückblick zum Festakt, umrahmt von Michelle Pfeifer (Klavier), Romy Jakob (Gitarre) und Niels Ziegelasch (Saxophon) von der Kreismusikschule Harz, anlässlich des 20. Jahrestages der Deutschen Einheit und des 20-jährigen Jubiläums der Gründung der Städteunion im Festsaal des Rathauses gehörte zu den emotionalsten Momenten.

Gerade das Engagement über die eigentliche Tätigkeit hinaus und der Einsatz für die Demokratie und Freiheit waren die treibenden Kräfte, die zum Sturz des Systems und der Wiedervereinigung führten. Dass Biller in dieser Veranstaltung allerdings eher für die Durchführung des Quedlinburger Musiksommers zum Ehrenbürger ernannt wurde, zeigt eine andere Seite des Kirchenmusikdirektors. Den gleichen Titel bekam auch Prof. Dr. Siegfried Behrens aus Lemgo für den Aufbau des Münzenbergmuseums.

Doch woran erinnern sich die neuen Oberhäupter der Unions-Städte Celle, Hameln, Hannoversch Münden und Herford, die allesamt der Einladung in die Weltkulturerbestadt Quedlinburg gefolgt waren, wenn sie über das Erbe der Amtsvorgänger, die Kooperation als auch das Zusammenwachsen der Deutschen nach 20 Jahren Bilanz ziehen sollen.

Quedlinburgs Bürgermeister Dr. Eberhard Brecht lobte die gemeinsam erreichten Erfolge, die sich im Städteunionshaus, dem Aufbau der Verwaltung und den vielen Kontakten zwischen Familien, Vereinen, Institutionen oder Kirchen zeigen würden. Er hätte sich aber wie die Mehrheit der Ostdeutschen den Nationalfeiertag im vereinten Deutschland eigentlich erst am 9. Oktober gewünscht. „An jenem Tag im Jahr 1989 haben 70 000 Menschen in Leipzig für jedermann dokumentiert, dass die DDR-Bevölkerung nicht mehr von ihrem Ziel einer gesellschaftlichen Veränderung abzubringen ist, und das mit ausschließlich friedlichen Mitteln.“

Für ihn stehe dieses Datum für den Erfolg der ersten friedlichen Revolution in Deutschland. Brecht erinnerte an den Mauerfall am 9. November 1989 und den „überaus herzlichen Empfang von uns DDR-Bürgern im Westen“, wofür sich die Quedlinburger mit einem großen Stadtfest am 6. Januar 1990 revanchierten.

In dieser Phase habe auch „die Brautschau“ begonnen. „80 Bewerber hätten Interesse an einer Partnerschaft mit Quedlinburg gehabt“, sei ihm zu Ohren gekommen, doch letztlich habe sich die damalige Stadtverwaltung unter Bürgermeister Reinhard Lukowitz für eine Union aus Städten entschieden, die eines einte: Fachwerkbau.

Susanne Lippmann beanspruchte allerdings den Status des Erstpartners: „Bereits seit 1987 hatten wir uns um Quedlinburg bemüht, was aber die Staatsmacht in Berlin nicht wollte.“ Der Leiter der Volkshochschule habe bei einem Besuch im Ostharz im Mai 1989 sogar den Pförtner mit 20 DM bestochen, um zu Lukowitz vorzudringen und ihn über den Wunsch zu informieren, welcher nach der Grenzöffnung mit einem Gegenbesuch reagierte. Für Dirk-Ulrich Mende, Oberbürgermeister von Celle, bedeutet die Städteunion „gelebte Wiedervereinigung.“ Jeder Partner habe mit dem geholfen, was er am besten konnte, listete Hannoversch Mündens Stadtchef Klaus Burhenne sogar fast nostalgisch wirkende Bürotechnik auf, die damals übergeben wurde, wie „Kopierer mit Druckpatrone, Schreibmaschine oder Diktiergerät“. Der Herforder Bruno Wollbrink, der einzige, der ohne Amtskette erschien, führte dies auf die Finanzsituation in Nordrhein-Westfalen zurück. Brecht entdeckte darin weitere finanzielle Potenzen für Quedlinburg.

Genau wie ihre Amtsvorgänger trugen sich die fünf aktuellen Stadtoberhäupter ins Goldene Buch der Stadt Quedlinburg ein und untermauerten damit das Bündnis. Bruno Wollbrink brachte das Anliegen auf den Punkt, als er meinte: „Wir wären gut beraten, weiter an der Städteunion zu arbeiten.“ Nachdem sich Biller und Behrens ebenso ins Goldene Buch eingetragen hatten, wurden noch die Stadträte seit 1990 für 20-jährige Tätigkeit ausgezeichnet. Doch nur Dieter Schmidt erschien, Barbara Knöfler und Dr. Christian Schickardt waren verhindert.