Resolution zum Stärkungspaktgesetz

Herford, 15. Nov. 2011  Resolution an die Landesregierung und die Landtagsfraktionen NRW

Stadt Herford
– Der Stadtrat –
c/o Bürgermeister Bruno Wollbrink
im Rathaus
32052 Herford

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren des Rates,

die Landesregierung hat – wie angekündigt – nunmehr ihren Gesetzentwurf eines „Stärkungspaktgesetzes“ in den Landtag zur Beratung und Verabschiedung eingebracht. Die darin vorgesehenen gesetzlichen Regelungen werden dazu führen, dass die kommunale Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen de facto abgeschafft wird.

Aus diesem Grund ist es u.E. dringend erforderlich, dass Kommunen, kreisfreie Städte und Kreise gegen dieses Gesetzesvorhaben kurzfristig und eindeutig Stellung beziehen.

Beschlussvorschlag

Resolution

  1. Der Rat der Stadt Herford lehnt den Gesetzesentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen für ein „Stärkungspaktgesetz“ in der vorliegenden Form ab.
  2. Der Rat der Stadt Herford fordert die Landesregierung sowie die Landtagsfraktionen auf, diesen Gesetzesentwurf mit dem Ziel der Sicherung der im Artikel 78 der Landesverfassung garantierten Selbst-verwaltungsgarantie der Kommunen sowie im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger des Landes in der vorliegenden Form nicht zu beschließen.

Begründung

  1. Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht geeignet, die Haushalts- und Finanzierungsprobleme der Kommunen im Lande zu lösen. Vielmehr werden die dort vorgesehenen Regelungen und Maßnahmen, nämlich die  Heranziehung abundanter Städte durch eine Finanzausgleichs- oder Abundanzumlage (Abundanz, lat. Fülle, Überfluss) dazu führen, dass auch noch diejenigen Kommunen in die Haushaltssicherung gelangen, die dies kraft eigener Anstrengung bisher vermeiden konnten. Die im Artikel 78 der Landesverfassung verbindlich vorgeschriebene Selbstverwaltungs-garantie wird damit de facto ausgehebelt.

    Kommunale Selbstverwaltung ist nur dann wirklich garantiert, solange die Räte aufgrund entsprechender Finanzausstattung der Kommunen eigene Gestaltungsmöglichkeiten haben. Dies ist bei den Kommunen, die aufgrund ihrer Haushaltsprobleme bereits jetzt unter Haushaltsaufsicht stehen, nicht mehr gegeben. Wenn auch die verbliebenen Kommunen unter Haushaltsaufsicht stehen, wird es in NRW keine kommunale Selbstverwaltung mehr geben.

    Wir halten dieses für einen Verfassungsbruch.

  2. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es:

    . . . Schließlich erbringen die finanzkraftstarken Gemeinden ab dem Jahre 2014 eine Solidaritätsumlage, mit der bei ihnen der Zuwachs durch die ab 2014 vollständig erfolgende Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund abgeschöpft wird. Die Solidaritätsumlage wird als Umlage bei den abundanten Gemeinden erhoben.“

    Es wird nicht definiert, nach welchen Maßstäben eine Kommune „finanzstark“ im Sinne des Gesetzes sein soll. Nach dem bekannten Gutachten „Junkernheinrich“ haben von insgesamt 430 Gemeinden und Gemeindeverbänden in NRW lediglich 8 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt. Bekanntermaßen gilt ein Haushalt dann als strukturell ausgeglichen, wenn der Ausgleich ohne Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage und/oder der Allgemeinen Rücklage erreicht wird.

    Laut Gesetzentwurf sollen die „abundanten, reichen, finanzstarken“ Kommunen jährlich 195 Mio. Euro als Solidaritätsbeitrag leisten. Die o.g. 8 Kommunen werden das nicht schultern können. Deshalb können diese Kommunen allein nicht gemeint sein. Als „abundant, reich und finanzstark“ bezeichnet die Landesregierung  offensichtlich auch diejenigen Kommunen, die sich noch nicht in der Haushaltssicherung befinden.

  3. Zu den „abundanten Gemeinden“ zählt die Landesregierung demnach jene Kommunen, die ihren Haushalt im Finanzplanungszeitraum durch einen Vermögensverzehr ausgleichen, der in zwei aufeinanderfolgenden Haushaltsjahren noch unter 5 % liegt. Dabei sollte der Landesregierung aber auch bekannt sein, dass viele dieser Kommunen die Gesetzesvorgabe „in zwei aufeinanderfolgenden Haushaltsjahren“ sehr kreativ gestalten, indem sie in dem einen Jahr die 5 %-Grenze überschreiten, im nächsten Jahr unterschreiten, im darauf folgenden Jahr wieder überschreiten.

    Auch noch von solchen Kommunen jährlich den Solidaritätsbeitrag in Höhe von 195 Mio. Euro anteilig einzufordern, wird sie letztendlich in die Haushaltssicherung und danach in die Überschuldung treiben.

  4. Die Landesregierung hat begründet, dass die Finanzierung dieser durch die „abundanten, reichen, finanzstarken“ Kommunen zu leistenden jährlichen 195 Mio. Euro  nicht durch eine Kürzung der bisherigen Finanzmittel, sondern lediglich durch eine „Abschöpfung“ von neuen Finanzmitteln, die vom Bund künftig geleistet werden, erfolgt.

    Durch eine solche „Abschöpfung“ werden den noch nicht in der Haushaltssicherung befindlichen Kommunen jedoch ausgerechnet die Mehreinnahmen genommen, mit denen sie rechnen und die sie dafür einsetzen müssen, um langfristig wieder einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

  5. Die Landesregierung legt auch ein besonderes Augenmerk auf die Tilgung der Liquiditätskredite. Im Gutachten „Junkernheinrich“ wird ausgesagt, dass in NRW auf die Kommunen mittlerweile über 40 % der „Kassenkreditverschuldung“ aller Kommunen in der Bundesrepublik entfallen. Ein besonderes Ziel der Landesregierung müsste es daher sein, diese nicht durch kommunales Vermögen abgesicherten Schulden – für die es im Übrigen auch keine ordentlichen Tilgungspläne gibt – zurück zu führen.
  6. Mit dem bereits dargestellten „Abschöpfen“ der Kostenerstattungen des Bundes werden den betroffenen Kommunen aber genau die Mittel entzogen, die sie für die Senkung und Abtragung ihrer „Überziehungs-kredite“ dringend benötigen.

    Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden zudem nur die „abundanten, reichen, finanzstarken“ Kommunen belastet, sondern alle Kommunen, und zwar pauschal und ohne Ausnahme.

    In der Gesetzesbegründung heißt es nämlich:

    Die anderen Beträge werden durch einen Abzug bei der Finanzausgleichsmasse des jeweiligen Gemeindefinanzierungs-gesetzes realisiert.“

    Dies bedeutet,
    dass alle Kommunen Zuweisungen des Landes von einer bereits pauschal gekürzten Finanzverteilungsmasse erhalten.

    Dies betrifft solidarisch

  • die bereits überschuldeten Kommunen (was für sie nicht hilfreich ist),
  • die in der Haushaltssicherung befindlichen Kommunen (was für sie nicht hilfreich ist, um aus der Haushaltssicherung herauszukommen) sowie
  • die „abundanten, reichen und finanzstarken“ Kommunen (was auch diese dann de facto weniger „abundant, reich, finanzstark“ macht).

    7.  Ein weiterer Aspekt:

         Der vorliegende Gesetzentwurf verweigert belastbare Daten:

  • Er enthält keine Aussagen zu den Kriterien, nach denen eine Kommune zum Zwecke der Erhebung der „Abundanzumlage“ als „abundant, reich, finanzstark“ bewertet wird.
  • Es soll festgeschrieben werden, dass die „Abundanzumlage“ in Höhe von jeweils 195 Mio. Euro in den Jahren von 2014 bis 2020 nach Maßgabe der jeweiligen Gemeindefinanzierungsgesetze erhoben wird.

    Der Gesetzentwurf lässt also zu, dass die maßgeblichen Kriterien und Daten durch das vom Landesparlament jedes Jahr neu zu verabschiedende Gemeindefinanzierungsgesetz der augenblicklichen Lage entsprechend angepasst werden können.

    Weil die Kommunen ihre Haushalte im Rahmen einer mehrjährigen Finanzplanung aufzustellen haben, sich diese zukunftsorientierte Finanzplanung bei der Aufstellung eines 2-Jahres-Haushaltes noch um ein weiteres Jahr verlängert und für all dieses belastbare Finanzdaten eine unabdingbare Voraussetzung sind, würde der Gesetzentwurf einer seriösen Haushaltsplanung der Kommunen jegliche Basis entziehen.

Diese stichhaltigen Gründe sollten u.E. Anlass genug sein, die Landesregierung mit einer gemeinsamen Resolution von der Verwirklichung des Gesetzesvor-habens in dieser Form abzubringen.

Mit freundlichem Gruß

Heinz-Günther Scheffer