Riester-Rente – Bund holt Zulagen ohne Vorwarnung zurück

BR online, 11. April 2011   Bund holt Zulagen ohne Vorwarnung zurück!

Der Bund hat nach Informationen des BR-Wirtschaftsmagazins „Geld & Leben“ von mehr als 1,5 Millionen Vorsorgesparern zu Unrecht gezahlte staatliche Zuschüsse zur Riester-Rente zurückgefordert. Wie das Magazin weiter aufdeckte, handelt es sich dabei bisher um insgesamt eine halbe Milliarde Euro.

Walter Riester, Karton mit Bundesadler-Aufdruck ist mit Geld gefüllt | picture-alliance/dpa

Bei den Rückforderungen handelt sich nach Informationen von „Geld & Leben“ um Fälle, in denen die Voraussetzungen für die staatliche Förderung nicht oder nicht mehr erfüllt waren. Entdeckt wurden die Fälle bei einer Überprüfung der Zulagen-Berechtigung der Sparer. Durch die vollständige Vernetzung der Zulagenstelle mit den Meldebehörden, der Rentenversicherung, den Familienkassen und dem Finanzamt konnte die Zulagenstelle auf die dazu notwendigen Informationen zugreifen, wie „Geld & Leben“ berichtet.

Ein Fall aus Hunderttausenden

Dem BR-Bericht zufolge wurden einer Hausfrau und Mutter Anfang 2011 rückwirkend ab 2006 Zulagen entzogen. Der Grund: Sie hatte in ihren Riester-Vertrag ausschließlich Zulagen und keinen zusätzlichen Eigenbeitrag eingezahlt. Das entsprach in ihrem Fall nur bis zur Geburt ihres dritten Kindes den Konditionen. Ab 2006 hätte sie für drei Jahre noch 60 Euro pro Jahr in den Vertrag selbst einzahlen müssen. Darüber hatte sie nach eigenen Angaben niemand informiert. Die nachträgliche Entrichtung des Eigenbeitrags sei nicht möglich gewesen.

Zugriff aufs Konto ohne Vorwarnung

Erweist sich bei der Überprüfung ein Riester-Sparer als „unberechtigt“, greift die Zulagenstelle laut „Geld und Leben“ ohne Vorwarnung auf das jeweilige Riester-Konto zu. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums bestätigte der Nachrichtenagentur dpa, dass es nach der Überprüfung der Zulagen-Berechtigung im Jahr 2010 zu Rückforderungen gekommen sei. Die genannten Zahlen könne sie aber „nicht nachvollziehen“.

Kritik an Vorgehensweise

Verbraucherschützer kritisierten, die Sparer würden mit den komplizierten Vorschriften zur Riester-Rente alleine gelassen.
Auch die Rentenversicherung bedauerte die Praxis. Ziel müsse sein, die Leute im System der staatlich geförderten Altersvorsorge zu halten und sie nicht „durch ruppiges Vorgehen“ zu frustrieren, hieß es. Zumal bei den Betroffenen keine Betrugsabsicht zu vermuten sei, wohl aber Unkenntnis oder Fahrlässigkeit.

Umzug nicht gemeldet – Förderung weg

Die Gründe für Zulagenrückforderungen sind laut BR häufig selbst für Anbieter schwer zu durchschauen. So reiche es, wenn ein Umzug oder die Geburt eines Kindes nicht gemeldet wird. Riestersparer, die umziehen und dadurch in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Familienkasse wechseln, müssen dies melden. Oft wissen die Betroffenen aber gar nicht, dass sie von einer anderen Familienkasse betreut werden und eine neue Kindergeldnummer erhalten haben. Die vernetzte Abfrage der Riesterprüfer nimmt darauf jedoch keine Rücksicht, sondern bucht Zuschüsse zurück.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Riestersparer sollten die aktuelle Prüfungspraxis zum Anlass nehmen, ihre Daten genau zu kontrollieren. Denn unter Umständen sind Rückforderungen der Zulagenstelle nachträglich korrigierbar. Dann  können Riestersparer innerhalb eines Jahres mit einem sogenannten Festsetzungsantrag über den Anbieter die Zulagen wieder einfordern. Voraussetzung ist, dass die Sparer die Rückforderung bei der obligatorischen Jahresabrechnung wahrnehmen.    

Das sagt der Leiter der Zulagenstelle

Ulrich Stolz, Leiter der zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen in Brandenburg, zu einer möglichen Gesetzesänderung, die eine direkte Kommunikation der Zulagenstelle zu den Riestersparern ermöglichen könnte:

„Ich glaube, das wäre eine grundlegende Umstellung des Verfahrens. Wir sind hier eine sehr schlanke Verwaltung mit ungefähr 850 Mitarbeitern, und diese betreuen 13 Millionen Konten. Wenn es hier zu einer Umstellung käme, die einer individuellen Betreuung im Vorfeld entspräche, müssten wir deutlich Personal aufstocken.“