SPD macht Mehrheit möglich

04. Juli 2012 HERFORD Im Stadtrat wird im zweiten Anlauf der Haushaltsplan 2012 verabschiedet
VON HARTMUT BRAUN

Entscheidung | FOTO: RALF BITTNER

Mit 18 zu 17 Stimmen bei einer Enthaltung hat der Stadtrat gestern in einer Sondersitzung den von CDU, FDP und zwei Wählergemeinschaften getragenen „bürgerlichen Entwurf“ als Haushaltsplan für 2012 beschlossen. Er enthält ab 2013 höhere Steuerhebesätze für Gewerbe und Grundbesitzer, eine Anhebung der Abwassergebühr sowie Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich.

Mit dem Beschluss endete die ungewöhnlichste Etat-Runde der jüngeren Stadtgeschichte. CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Rußkamp war sich noch kurz vor der Sondersitzung des Rates seiner Sache nicht sicher. Erst als in der Sitzung des Hauptausschusses sowohl Bürgermeister Bruno Wollbrink (SPD) als auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Horst Heining versicherten, sie wollten die „zufälligen Mehrheitsverhältnisse“ des Tages nicht ausnutzen, trat eine gewisse Entspannung ein.

Tatsächlich musste die CDU an diesem Nachmittag gleich auf vier Mitglieder – Werner Seeger, Gustav Meyer zu Hartum, Patrick Ruffo, Ralf Grebe – verzichten; außerdem hatte sich bei der FDP Dr. Christine Paul entschuldigt. Auf der anderen Seite fehlten nur Hans-Jürgen Rühl und Manfred Mohning (beide SPD). Wenn alle da sind, hat das „bürgerliche“ Lager im Rat eine Mehrheit von 23 zu 22.

Die Grünen vertraten in dieser Situation den Kompromissvorschlag des Bürgermeisters – er trage auch CDU-Positionen Rechnung. Doch die SPD hielt ihr Wort: Wollbrink rief bei der entscheidenden Abstimmung sofort den CDU/FDP-Antrag auf. Jetzt verließen Andreas Rödel und Uwe Pradel (beide SPD) den Saal; Wollbrink selbst übte Stimmenthaltung. So ergab sich eine bürgerliche Mehrheit.

Zuvor hatte die SPD erneut die inhaltliche Nähe beider Lager betont und auf Kompromissbereitschaft gedrängt, während Rußkamp das zurück wies und erneut von „im Kern unterschiedlichen“ Haushaltsentwürfen sprach.

Erleichtert nahmen Beschäftigte im Offenen Ganztag der Grundschulen das Ergebnis zur Kenntnis – sie hätten (NW von gestern) sonst mit Kündigung rechnen müssen.

Stadtsportbund-Sprecher Hans-Joachim Zedler beklagte die Kompromisslosigkeit der Mehrheit: Die Sanierung des Kunstrasenplatzes am Stadion muss ein Jahr warten.

Und eine Gruppe aus dem Fla Fla nahm zur Kenntnis, dass ihr selbstverwaltetes Jugendzentrum nach 40 Jahren aus der städtischen Förderung ausgeschlossen wird.

Kommentar

Zum Haushalt 2012
VON HARTMUT BRAUN

Am Ende hat Wolfgang Rußkamp sich also durchgesetzt: Erstmals seit 2004 hat es gestern in Herford wieder eine bürgerliche Haushaltsmehrheit gegeben.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende hat sie Mitte Juni in wenigen Tage zusammen gebracht und gegen verlockende Kompromissangebote der anderen Seite hartnäckig zusammen gehalten. Insofern darf er sich als Sieger des gestrigen Nachmittags fühlen. Aber was ist das für ein Sieg? Und was für eine Mehrheit?

Damit sie zu Stande kam, mussten gleich drei Abgeordnete des rot-grünen Lagers gegen ihre Überzeugung handeln – Rußkamp hat allen Grund, sich bei denen zu bedanken. Und dass sich da aus CDU, FDP und den beiden Wählergemeinschafts-Akteuren eine dauerhafte, gestaltungsfähige Mehrheit fügen könnte, die die finanziellen Probleme der Stadt wirkungsvoll anpackt, das glaubt auch bei den Christdemokraten niemand.

So bleibt der CDU allein der Triumph, dem Bürgermeister mal eins ausgewischt zu haben. Früher hätte das für „bürgerliche Politik“ nicht gereicht. Wollbrink hat es sich mit seinem Kompromissvorschlag gewiss zu leicht gemacht.

Aber zu seiner Grundüberlegung, die Akteure im Rat zusammen zu führen, gibt es auch nach den jüngsten Ausflügen ins Lagerdenken keine Alternative. Bis es dazu kommt, muss indes noch viel Misstrauen abgebaut werden.