„Wenn die Börsenkurse fallen. . .“

1230057567_chartteaser.jpgDerzeit liest man vielerorts den Reim „Wenn die Börsenkurse fallen . . .

Er wird – sozusagen als Internet-Fake, bzw. Internet-Legende – neuerlich Kurt Tucholsky (1890 – 1935) zugeschrieben. Tatsächlich soll der Reim allerdings – unter „Höhere Finanzmathematik“ – von Richard G. Kerschhofer verfasst worden sein, von dem es heißt, dass er unter dem Pseudonym „Pannonicus“ für die österreichische Zeitschrift „Zeitbühne“ schreibe und der FPÖ nahe stehe.

Ganz gleich, ober der Reim von „links“ oder „rechts“ kommt. Er passt in die Zeit:

Höhere Finanzmathematik

Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.

Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen – echt famos!

Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.

Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.

Trifft’s hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken –
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!

Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.

Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.

Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und – das ist das Feine ja –
nicht nur in Amerika!

Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen –
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.

Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.