Westfalen-Blatt zum 18. Sicherheitspolitischen Kongress

Minden, 19. Sept. 2011 Alleingänge am Hindukusch
von Kerstin Eigendorf WB

Minden(WB). Die Armeen einzelner Länder müssen endlich zusammenarbeiten und nicht nur davon sprechen. Das hat Generalleutnant Ton van Loon vom Deutsch-Niederländischen Korps gefordert.

Er wolle, dass sich was ändert, erklärt van Loon beim 18. Sicherheitskongress in Minden. »Das bin ich den 70 Soldaten, die unter meiner Führung in Afghanistan gefallen sind, schuldig.« Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn die klare Linie beim Einsatz fehlt. »Die Theorie lautete: Wir schmeißen die Taliban aus einem Dorf, halten dieses Dorf und dann bauen wir dort etwas«, sagt er. Was allerdings gebaut werden sollte, habe niemand genau gewusst. Auch die Frage, wohin es in Afghanistan gehen sollte, sei unbeantwortet geblieben. »Das Resultat war, dass wir uns gegenseitig bekämpft haben.«

Die fehlende Linie hätten aber nicht nur viele Soldaten erkannt. Der afghanische Präsidenten Hamid Karsai wisse genau, wie er die Nationen gegeneinander ausspiele. »Weil alle was anderes erzählen«, sagt van Loon. Die einzige Lösung sieht er im intensiven Austausch vor einem Einsatz. »Währenddessen ist keine Zeit, sich abzustimmen.« Die Vernetzung müsse vorher stattfinden. »Wir müssen uns endlich darauf einstellen, dass es keine nationalen Alleingänge mehr geben wird.«

Der britische Botschafter Simon McDonald legt noch eine Schippe drauf und ruft in Minden dazu auf, die »europäischen Streitkräfte grundlegend zu reformieren«. Dabei seien die USA zwar weiterhin unverzichtbar. Er appellierte aber vielmehr an Deutschland, Frankreich und sein Heimatland Großbritannien, an einem Strang zu ziehen.

In diese Troika-Vision will die deutsche Haltung in der Libyen-Frage allerdings nicht wirklich hineinpassen. Direkt darauf angesprochen, antwortet er, ganz Diplomat: »Jedes Land muss selber wissen, wie es sich verhält.« Ein »Es sollte aber eine Ausnahme bleiben« kann er sich dann aber doch nicht verkneifen.

Bei all diesen Reformwünschen auf internationaler Ebene reiht sich die Bundeswehrreform nahtlos in den Streitkräfte-Wandel ein. »Wir wollen in der Champions League spielen, haben aber nur die Kohle für die Kreisklasse«, legte André Wüstner, Vizechef des Bundeswehrverbandes, den Finger in die Wunde. Diese Unterfinanzierung werde nur durch die Motivation der Soldaten aufgefangen.

Und dann würde diesen die anstehende Reform nicht einmal ausreichend erklärt, sondern in einem »brutalen Tempo« durchgezogen, bei dem die Grenze der Aufnahmefähigkeit überschritten werde. »Es sind die Menschen, die bei der Reform draufzahlen.« Wenn ein Soldat nämlich sechs bis sieben Mal an Weihnachten in Afghanistan gewesen ist, frage er sich automatisch, ob das richtig sei.