Umbruch in der Politik mit Folgen für Militär

Minden, 19. Sept. 2011  18. Kongress zur Sicherheitspolitik in der Mindener Stadthalle / Veränderte Aufgaben als Themen der Referate
VON STEFAN KOCH

Minden (mt). „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann . . .“, lautete in Anlehnung an das Kennedyzitat am Samstag das Motto zum 18. sicherheitspolitischen Kongress in der Stadthalle.

Rund 150 Gäste waren zu der Veranstaltung gekommen, deren Referate vor allem durch den Umbruch in der Aufgabenstruktur der Nato bestimmt waren.

Gudrun Kopp, Parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungsministerium, referierte in der Mindener Stadthalle vor 150 Gästen. MT-Fotos (2): Stefan Koch

Moderiert wurde der 18. Kongress zur Sicherheitspolitik von Dr. Carsten Klein und Dirk Schattschneider (FDP). Der Mindener Stadtverbandsvorsitzende der Liberalen ist Vorsitzender des Forums Deutsche Politik e.V., das zusammen mit der Karl-Theordor-Molinari-Stiftung – dem Bildungswerk des Bundeswehrverbandes – die Veranstaltung organisiert. Dazu waren wie in den vergangenen Jahren die Gäste weit angereist – unter anderem fanden sich diesmal Brigadegeneral Andreas Berg (Stabsabteilungsleiter III. im Führungsstab des Heeres) und der Militärattaché des Kaiserreichs Japan, Oberst Kobashi, ein. Gefördert wurde der Kongress durch EADS, Eurojet, die MBDA-Lenkflugkörpersysteme GmbH sowie Insigis, Agentur für Kommunikation.

Mit Rang und Namen in Minden: Der britische Botschafter Simon McDonald, Dirk Schattschneider vom Forum Politik, der Kommandeur des Deutsch-Niederländischen Korps Generalleutnant Ton van Loon, der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundeswehrverbandes Major André Wüstner und THW-Präsident Albrecht Broemme (v.l.).

Wie Schattschneider in seiner Bilanz seit dem letzten Sicherheitskongress im September 2010 in Minden deutlich machte, sei mit der Rückkehr der Weltfinanzkrise, dem „arabischen Frühling“, aber auch der Abschaffung der Wehrpflicht eine erhebliche Veränderung in Bezug auf die sicherheitspolitische Lage in Deutschland eingetreten. Die USA erprobten eine neue Doktrin ihrer weltpolitischen Führung, was sich bereits im Libyen-Konflikt angedeutet habe. Für Deutschland ergäben sich dadurch neue Herausforderungen.

Veränderte Aufgabenstruktur

Von einer veränderten Aufgabenstruktur in ihrem Fach berichtete auch die Bundestagsabgeordnete Gudrun Kopp (FDP), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie wies darauf hin, dass sich unter den 34 ärmsten Ländern 22 in einem militärischen Konflikt befinden, sodass die Schaffung von Frieden und Sicherheit eine wesentliche Aufgabe der Wirtschaftshilfe sei. Eng arbeite daher ihr Ministerium mit dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium zusammen. Wie Kopp versicherte werde auch bei der Vergabe von Mitteln auf die Einhaltung der Menschrechte in den Nehmerländern geachtet. Konkret seien fünf Millionen Euro für Entwicklungshilfe in Syrien eingefroren worden, um sie an zivile Organisationen anstatt staatlicher Stellen auszuzahlen.

„Wir dienen Deutschland – zwei Seiten einer Medaille“, lautete im Anschluss der Beitrag von Major André Wüstner, stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes. Er stellte fest, dass die Bundeswehr, einst zur Landesverteidigung konzipiert, eine massive Wandlung erfahren habe und nun an der Schwelle zur Interventionsstreitkraft stehe. Dessen ungeachtet würden die Probleme der Mangelverwaltung nicht gelöst. Er forderte klare Signale der Politik an die Bundeswehrangehörigen, um sie auf dem Reformweg mitzunehmen.

Seine Erfahrungen von Kriegs- und Krisenschauplätzen im Kosovo, in Afghanistan und andernorts brachte Generalleutnant Ton van Loon, Kommandierender General des Deutsch-Niederländischen Korps in die Mindener Stadthalle mit. „Die Operationen von heute sind gefährlich und echt“, meinte er im Rückblick auf die Planspiele des Kalten Krieges. Daher zeige die Politik heute eine Distanz zum wirklichen Geschehen. Heutzutage müsse nämlich erklärt werden, dass es Tote und Verwundete gebe.

Entlastung für die USA

„Wir müssen die europäischen Streitkräfte reformieren und deren Bezug zur Nato verbessern“, forderte nach der Mittagpause des Kongresses Simon McDonald, Botschafter des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland. Der Brite sprach sich für eine stärkere europäische Verteidigungspartnerschaft aus. Wichtig bleibe aber, die USA zu entlasten, damit Europa weiterhin seine Sicherheitsbelange realisieren könne. „Wir stehen nicht vor der Wahl zwischen europäischer und atlantischer Sicherheitspolitik, sondern der zwischen einer aktiven und einer reaktiven.“

Auf Herausforderungen ganz anderer Art machte Albrecht Broemme aufmerksam, Präsident der Bundesanstalt des Technischen Hilfswerks (THW). Die auf 80000 freiwilligen und 800 hauptamtlichen Kräften basierende Organisation habe es bei In- und Auslandseinsätzen zunehmend mit Unwetterkatastrophen zu tun. Dabei seien die Schadenslagen komplexer und größer als in früheren Jahren. Auch die Umstrukturierung der Streitkräfte sei nicht spurlos am THW vorbeigegangen, sagte dessen Chef. So gelte es, sich im Rahmen des Übungsprogramms verstärkt mit dem Bau von Eisenbahnbehelfsbrücken auseinanderzusetzen – eine Aufgabe, die früher der Bundeswehr oblag.

Den Sicherheitskongress schloss Mathis Feldhoff, Auslandskorrespondent des ZDF, als letzter Redner. Er stellte eine mangelnde Kommunikation zwischen Bundeswehr und Politik auf der einen Seite und der Gesellschaft auf der anderen Seite fest. Dies habe letztendlich eine geringe Akzeptanz gegenüb
er militärischen Belangen in der Bevölkerung zur Folge. Die Politik und das Militär müssten deshalb im Dialog an einem Strang ziehen.