FREIE WÄHLER „Die CSU muss von ihrem Allmachtsanspruch runter“

Frankfurt, 08. Jan. 2012 Gespräch mit Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER)
VON DANIELA VATES, Frankfurter Rundschau

Der Vorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, über das angespannte Verhältnis zu den Christsozialen, die Euro-Skepsis seiner Partei und die Unterstützung für einen Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck.

Sieht aus wie CSU, ist er aber nicht: Hubert Aiwanger.
Foto: dapd

Noch sind die Freien Wähler in Bayern in der Opposition. Ihr Vorsitzender Hubert Aiwanger hofft auf eine Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl 2013.

Herr Aiwanger, Sie wollen das Zünglein an der Waage sein nach der nächsten Landtagswahl in Bayern. Wenn Sie Rot-Grün oder die CSU unterstützen können – was wählen Sie?

Es wäre verwegen, anderthalb Jahre vor der Wahl auf ein Pferd zu setzen, von dem wir nicht wissen, wo es nach der Wahl steht. Die potenziellen Koalitionspartner wechseln ja fast täglich ihre Meinungen. Da müssten wir dann Slalom hinterherfahren. Das machen wir als wertkonservative Partei nicht.

Die Freien Wähler kommen aus dem CSU-FDP-Lager. Sie müssten doch eigentlich eher auf die CSU setzen.

Die CSU hat zu viel Macht angesammelt. Ein demokratischer Neuanfang würde mit neuen Kräften besser gelingen, als wenn wir Mehrheitsbeschaffer fürs alte System wären. Die alten Seilschaften müssten endlich mal gekappt werden, damit wir uns eine Zusammenarbeit mit der CSU vorstellen könnten.

Wenn Sie so denken, müssten Sie ein Bündnis mit der CSU ausschließen.

Wir müssten es zumindest sehr gut erklären, wenn wir mit denen zusammengehen. Und die CSU müsste beweisen, dass sie es ehrlich meint mit uns. Sie müssten von ihrem Allmachtsanspruch runter. Die FDP hat den Fehler gemacht, dass sie vor allem schnell in die Regierung wollte – eh sie sich versehen hat, hatte die CSU sie verfrühstückt.

Ihre Kritiker sagen, die Freien Wähler bestünden eigentlich nur aus einem ehrgeizigen Parteichef.

Völlige Fehleinschätzung. Natürlich bin ich der Bekannteste, weil ich nun mal vorne stehe. Wir sind in der Landespolitik und noch dazu in der Opposition, das ist ein sehr graues Dasein. Da ist es sehr schwer, dass alle 20 Abgeordneten schnell bekanntwerden. Die FDP ist hier sogar in der Regierung – aber wer kennt außerhalb Bayerns schon einen bayerischen FDP-Politiker?

Aber für den Antritt zur Bundestagswahl suchen Sie dennoch Promis. Bislang haben Sie Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel gefunden. Bleibt er der einzige?

Wir werden sehen, das ist auch nicht entscheidend. Ich möchte mit Leuten im Gespräch sein, die gute Ideen haben. Ich finde das Steuermodell von Paul Kirchhoff interessant. Ein Kontaktwunsch ist von beiden Seiten artikuliert.

Sehen Sie die Freien Wähler als Partei rechts der CSU?

Keinesfalls. Rechts von der Union wird uns niemand einordnen können und da werden wir uns auch niemals hinstellen. Ich habe den Eindruck, als hätte die politische Szene auf eine rechtspopulistische Partei gewartet. Am Ende waren alle enttäuscht, dass es nur die soliden Freien Wähler waren, die sich bundesweit zu Wort melden.

Ihre Europaskepsis ist auch ein Rechtspopulisten-Thema.

Wir sind europafreundlich und wollen einen stabilen Euro. Das ist das Gegenteil von Europaskepsis. Stabile Europolitik, keine dauerhafte Schuldenübernahme, Regulierung des Bankensektors – all das ist versprochen worden, wurde aber nicht eingehalten von Schwarz-Gelb. Primitive Europakritik wie es die CSU macht, das ist Rechtspopulismus. Uns wird vorgeworfen, wir seien ins linke Lager abgedriftet, weil wir mit SPD und Grünen reden.

Was müsste die CSU eigentlich machen, um wieder eine absolute Mehrheit zu bekommen?

Selbst wenn sie alles richtig machen würde, ist es mittlerweile kaum noch möglich, dass eine Partei die absolute Mehrheit bekommt, weil mindestens fünf Parteien in der Arena sind. Es ist praktisch sehr schwer, dass einer mehr bekommt als alle anderen miteinander. Natürlich wird die CSU weiter darum kämpfen, aber wie sie sich momentan benimmt, schadet sie sich eher.

Wie benimmt sich denn die CSU?

Sehr aggressiv und unsachlich. Der CSU-Generalsekretär wirft uns zum Beispiel vor, wir wollten mit Rot-Grün deutsche Steuergelder in Brüssel verprassen. Wenn wir so etwas sagen würden, würde es sofort heißen: Rechtspopulismus. Und es ist auch dreist. Schließlich regiert doch die CSU mit – nur sie kann also etwas verprassen. Wenn momentan ein SPDler Bundeskanzler wäre, und dasselbe machen würde wie Angela Merkel, würde er wahrscheinlich Angriffen aus der CSU ausgesetzt sein, die man sich gar nicht vorstellen mag. Die sind mit sich selber nicht zufrieden und schlagen deshalb um sich.

Die Freien Wähler haben bei der letzten Präsidentenwahl Joachim Gauck unterstützt. Gewählt wurde Christian Wulff, der jetzt unter Beschuss steht. Sollte er zurücktreten?

Wulff war natürlich sehr ungeschickt. Aber eine Rücktrittsforderung finde ich trotzdem übertrieben. Und eines fällt schon auf: Wulff hat die Europa-Politik der Bundesregierung kritisiert, dann war eisige Stille und kurz darauf kommt er in Schwierigkeiten. Das kann Zufall sein, muss aber nicht.