Der Feldzug der „Bild“ passt ins Bild der eitlen Medien

Berlin, 07. Jan. 2012  Diekmanns Anmaßung
Kommentar von Ulrich Schulte, Leiter des Parlamentsbüros der taz

„Bild“-Eigenwerbung. Bild: ap

Am Freitag hat der Bild-Chef zum ersten Mal in der Affäre des Bundespräsidenten selbst einen Kommentar verfasst. Wer den Fall Christian Wulff zu einem Machtkampf zwischen ihm und Bild aufpumpe, „der geht wahrhaft völlig in die Irre“, schreibt Kai Diekmann. Medien stellten Fragen und decken Fehler auf. „Aber Sie entscheiden nicht.“

Mit diesem Satz tut Diekmann etwas sehr seltenes. Er macht sich ganz bewusst kleiner, als er ist. Und natürlich entscheidet Bild in der Äffare Wulff mit, natürlich macht das mächtigste deutsche Medium gerade Politik.

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Ein mächtiger Vorwurf steht im Raum: Wulff – immerhin nominal die höchste Staatsinstanz – will mit seiner lächerlichen Mailbox-Aktion lediglich um einen Aufschub gebeten haben. Die Bild-Zeitung behauptet, er wollte die Berichte stoppen, also Zensur ausüben.

Nun kann man vieles über Bild behaupten, eines aber gewiss nicht: Dass sie besondere Skrupel bei Veröffentlichungen habe, die die Intimsphäre von Menschen betreffen. Ethische Überlegungen sind in der Bild-Logik vernachlässigbar, ebenso juristische Bedenken. Bild schreckt zurück, weil sie Wulffs Intimsphäre akzeptiert, oder weil der Presserat aufjaulen könnte? Ach was. Nein, wenn der Bild-Chef und seine Redaktion wirklich an schneller, transparenter Aufklärung interessiert wären, würden sie den Text einfach drucken.

Diekmann tut es bewusst nicht. Weil es ihm um eine Machtdemonstration geht, weil er die Affäre des Präsidenten im Moment nach seinen Regeln inszeniert, weil er dem Reiz, selbst Politik zu machen, nicht widersteht.

Wie professionell und geschickt er dabei vorgeht, ließ sich am Donnerstag beobachten: Bild bittet den Bundespräsidenten scheinbar demütig, den Wortlaut seines Anrufs bekannt geben zu dürfen, an den er sich selbst nicht mehr erinnert. Und akzeptiert scheinbar generös seine Ablehnung.

Wulff steht – natürlich völlig zu Recht – als Aufklärungsverhinderer dar. Und Bild als seriöses Blatt, das den Tabubruch scheut. Welche Perfidie – Bild stellt sich noch einmal über den eh schon demütigen Präsidenten.

Das wird erst dann vollends zu einer Farce, wenn man weiß, dass Bild-Leute seit Tagen mit Wulffs Sätzen bei anderen Medien hausieren gehen. Gerne lesen die Kollegen aus der Abschrift am Telefon vor, ausschließlich „unter 3“ versteht sich. Diese Formel steht im journalistischen Sprachgebrauch dafür, dass die lancierte Information nicht in Berichten verwendet werden darf. Der Bild-Chef, der in seinem Haus ein strenges Regiment führt, weiß natürlich von diesem Durchstechen, ja er tut es sogar selbst.

Wer einer Mailbox droht . . .

Derweil wird dem Bundespräsidenten vorgeworfen, er betreibe eine Salamitaktik. Warum fragt niemand, warum Bild scheibchenweise informiert? Diekmanns Kalkül liegt dabei auf der Hand: Irgendwer wird Wulffs Sätze schon veröffentlichen. „Bild“ stünde dann – quasi neutral – daneben, hätte andere Medien auf die eigene Seite gezogen und immer noch die letzte Hoheit über den Skandal. Denn die Bild-Leute stechen nur Passagen durch.

So schüren sie eine für sie hochproduktive Ungewissheit in Politik und Medien: Was kann da noch kommen? Für Diekmann ist das die machtvollste Position überhaupt. Er strickt am Mythos, von dem das Blatt lebt: Die letzte Patrone liegt in der Schublade von „Bild“. Daran ändert auch die neueste Wendung nichts: „Bild“ hat dem Präsidenten die Abschrift zukommen lassen. Er weiß jetzt also, womit er erpresst werden kann.

Auch der taz liegt Wulffs Botschaft in Teilen vor. Ob der Bundespräsident gelogen hat oder nicht, lässt sich aus den wenigen Sätzen nicht herauslesen. Was aber als bestürzende Erkenntnis bleibt, ist die wirre Hilflosigkeit, mit der das Staatsoberhaupt da einer Mailbox droht.

Dies abzuhören muss ein Fest für den machtbewussten Bild-Chef gewesen sein. Und er tut alles, um dieses Gefälle aufrechtzuerhalten. Gegen die Professionalität, mit der das Blatt gerade seinen Spin der Geschichte durchsetzt, wirkt der Bundespräsident wie ein getriebener Dilettant. Entscheiden kann der, um noch einmal das Motiv von Diekmanns Kommentar aufzunehmen, der Macht hat.

Das Ende der Beobachtung

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Mitleid mit Christian Wulff ist fehl am Platze. Er hat Bild und allen anderen Medien jede nur denkbare Vorlage gegeben, um harte Nachfragen und Recherchen zu rechtfertigen. Bild-Redakteure haben die Enthüllungen über Wulffs Vorleben mit ihren Recherchen angestoßen, die Zeitung hat in der Affäre viel aufgeklärt. Und auch das sei gesagt: Nicht nur Bild inszeniert. Auch andere Medien, die taz eingeschlossen, planen Berichterstattung dramaturgisch, um möglichst großen Effekt zu erzielen, oder spielen über Bande, wenn es ihren Interessen dient.

Doch was Diekmann mit der Bild-Zeitung gerade macht, ist eine Grenzverletzung. Die Zeitung gibt ihre Beobachterfunktion weitgehend auf und verfolgt nur mehr das Ziel: Wulff soll zur Strecke gebracht werden.

Dahinter steht die Anmaßung, ein Medium solle und könne über Wohl und Wehe eines Politikers entscheiden. Bild inthronisiert und entlässt – Parteien oder die Bürger sind nur noch Spielbälle. Auch diese Verletzung journalistischer Ethik ist kein Alleinstellungsmerkmal des Boulevardblatts.

Wer den Hype um Peer Steinbrück verfolgt hat, hatte schnell den Eindruck, der Mann sei bereits SPD-Kanzlerkandidat. Dass ihm die demokratische Legitimation fehlte sowie das Einverständnis der Partei spielte für allzu viele Journalisten keine Rolle.

Bild, immerhin, hat sich mit dieser Attitüde im vergangenen Jahr schon einmal verhoben. Sie gab Karl-Theodor zu Guttenberg unverhohlen Rückendeckung und scheiterte damit, einen ramponierten Minister aller Vernunft zum Trotz im Amt halten zu wollen. Jetzt wiederholt sie das Experiment, mit umgekehrtem Ziel – der Ausgang ist offen. Diekmann hat sich in den vergangenen Tagen im Schaukampf zweier Männer um das oberste Staatshaupt gefallen. Die Bürger stehen als Zaungäste daneben. Ihre Marginalisierung sollte beunruhigen.

FREIE WÄHLER „Die CSU muss von ihrem Allmachtsanspruch runter“

Frankfurt, 08. Jan. 2012 Gespräch mit Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER)
VON DANIELA VATES, Frankfurter Rundschau

Der Vorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, über das angespannte Verhältnis zu den Christsozialen, die Euro-Skepsis seiner Partei und die Unterstützung für einen Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck.

Sieht aus wie CSU, ist er aber nicht: Hubert Aiwanger.
Foto: dapd

Noch sind die Freien Wähler in Bayern in der Opposition. Ihr Vorsitzender Hubert Aiwanger hofft auf eine Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl 2013.

Herr Aiwanger, Sie wollen das Zünglein an der Waage sein nach der nächsten Landtagswahl in Bayern. Wenn Sie Rot-Grün oder die CSU unterstützen können – was wählen Sie?

Es wäre verwegen, anderthalb Jahre vor der Wahl auf ein Pferd zu setzen, von dem wir nicht wissen, wo es nach der Wahl steht. Die potenziellen Koalitionspartner wechseln ja fast täglich ihre Meinungen. Da müssten wir dann Slalom hinterherfahren. Das machen wir als wertkonservative Partei nicht.

Die Freien Wähler kommen aus dem CSU-FDP-Lager. Sie müssten doch eigentlich eher auf die CSU setzen.

Die CSU hat zu viel Macht angesammelt. Ein demokratischer Neuanfang würde mit neuen Kräften besser gelingen, als wenn wir Mehrheitsbeschaffer fürs alte System wären. Die alten Seilschaften müssten endlich mal gekappt werden, damit wir uns eine Zusammenarbeit mit der CSU vorstellen könnten.

Wenn Sie so denken, müssten Sie ein Bündnis mit der CSU ausschließen.

Wir müssten es zumindest sehr gut erklären, wenn wir mit denen zusammengehen. Und die CSU müsste beweisen, dass sie es ehrlich meint mit uns. Sie müssten von ihrem Allmachtsanspruch runter. Die FDP hat den Fehler gemacht, dass sie vor allem schnell in die Regierung wollte – eh sie sich versehen hat, hatte die CSU sie verfrühstückt.

Ihre Kritiker sagen, die Freien Wähler bestünden eigentlich nur aus einem ehrgeizigen Parteichef.

Völlige Fehleinschätzung. Natürlich bin ich der Bekannteste, weil ich nun mal vorne stehe. Wir sind in der Landespolitik und noch dazu in der Opposition, das ist ein sehr graues Dasein. Da ist es sehr schwer, dass alle 20 Abgeordneten schnell bekanntwerden. Die FDP ist hier sogar in der Regierung – aber wer kennt außerhalb Bayerns schon einen bayerischen FDP-Politiker?

Aber für den Antritt zur Bundestagswahl suchen Sie dennoch Promis. Bislang haben Sie Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel gefunden. Bleibt er der einzige?

Wir werden sehen, das ist auch nicht entscheidend. Ich möchte mit Leuten im Gespräch sein, die gute Ideen haben. Ich finde das Steuermodell von Paul Kirchhoff interessant. Ein Kontaktwunsch ist von beiden Seiten artikuliert.

Sehen Sie die Freien Wähler als Partei rechts der CSU?

Keinesfalls. Rechts von der Union wird uns niemand einordnen können und da werden wir uns auch niemals hinstellen. Ich habe den Eindruck, als hätte die politische Szene auf eine rechtspopulistische Partei gewartet. Am Ende waren alle enttäuscht, dass es nur die soliden Freien Wähler waren, die sich bundesweit zu Wort melden.

Ihre Europaskepsis ist auch ein Rechtspopulisten-Thema.

Wir sind europafreundlich und wollen einen stabilen Euro. Das ist das Gegenteil von Europaskepsis. Stabile Europolitik, keine dauerhafte Schuldenübernahme, Regulierung des Bankensektors – all das ist versprochen worden, wurde aber nicht eingehalten von Schwarz-Gelb. Primitive Europakritik wie es die CSU macht, das ist Rechtspopulismus. Uns wird vorgeworfen, wir seien ins linke Lager abgedriftet, weil wir mit SPD und Grünen reden.

Was müsste die CSU eigentlich machen, um wieder eine absolute Mehrheit zu bekommen?

Selbst wenn sie alles richtig machen würde, ist es mittlerweile kaum noch möglich, dass eine Partei die absolute Mehrheit bekommt, weil mindestens fünf Parteien in der Arena sind. Es ist praktisch sehr schwer, dass einer mehr bekommt als alle anderen miteinander. Natürlich wird die CSU weiter darum kämpfen, aber wie sie sich momentan benimmt, schadet sie sich eher.

Wie benimmt sich denn die CSU?

Sehr aggressiv und unsachlich. Der CSU-Generalsekretär wirft uns zum Beispiel vor, wir wollten mit Rot-Grün deutsche Steuergelder in Brüssel verprassen. Wenn wir so etwas sagen würden, würde es sofort heißen: Rechtspopulismus. Und es ist auch dreist. Schließlich regiert doch die CSU mit – nur sie kann also etwas verprassen. Wenn momentan ein SPDler Bundeskanzler wäre, und dasselbe machen würde wie Angela Merkel, würde er wahrscheinlich Angriffen aus der CSU ausgesetzt sein, die man sich gar nicht vorstellen mag. Die sind mit sich selber nicht zufrieden und schlagen deshalb um sich.

Die Freien Wähler haben bei der letzten Präsidentenwahl Joachim Gauck unterstützt. Gewählt wurde Christian Wulff, der jetzt unter Beschuss steht. Sollte er zurücktreten?

Wulff war natürlich sehr ungeschickt. Aber eine Rücktrittsforderung finde ich trotzdem übertrieben. Und eines fällt schon auf: Wulff hat die Europa-Politik der Bundesregierung kritisiert, dann war eisige Stille und kurz darauf kommt er in Schwierigkeiten. Das kann Zufall sein, muss aber nicht.

Wulff oder BILD? Ein Kommentar von Hape Kerkeling

Vorbemerkung: Ich bin eigentlich ganz erfreut darüber, dass wir FREIE WÄHLER, die wir die Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten seinerzeit nicht unterstützt haben, uns – mit einigen wenigen Ausnahmen – nicht dazu haben hinreißen lassen, auf den Zug aufzuspringen. Unter dem Reigen der Kommentierungen fiel mir u.a. der Kommentar Hape Kerkelings (s. unten) auf, dem sich – selbstverständlich(!) – niemand anschließen muss. . .

HG Scheffer

Berlin, 05. Dez. 2012   Hape Kerkeling auf seiner Facebook-Homepage

Von keinem anderen Präsidenten haben wir je mehr verlangt als von Herrn Wulff!? Einer mit zweifelhaftem Ruf schreit ihm laut zu: Los, Hosen runterlassen!? Alle schreien: Ja!?? Der Bundespräsident hat in beispielloser Weise die Hosen herunter gelassen oder besser… lassen müssen!

Der angebliche Skandal um unseren Präsidenten ist viel mehr ein Skandal unserer maroden und degenerierten Mediengesellschaft.?? Und dieser hochgejubelte und herbeigeredete Skandal kann unsere Demokratie nichts weniger als den Kopf kosten!

Mal ehrlich, nimmt irgendwer der BILD Zeitung ernsthaft ab sie sei an Wahrheit, Anstand und ehrlicher oder gar lupenreiner Aufklärung interessiert??? Seit wann, bitte?? Der Bild geht es nur um so viel Auflage und Skandal wie eben möglich. Ausgerechnet die Bild mutiert nun zum obersten Moralhüter und zum reinen Gewissen der Nation!?!??? Armes, ganz armes Deutschland!??

Die Frage, die sich hier stellt, lautet nicht: Wulff oder ein Neuer? Sondern vielmehr: Wulff oder BILD? Wie soll Deutschland in Zukunft aussehen??? Ich bin eindeutig für Wulff!!!??

Was hat dieser arme Präsident eigentlich verbrochen? Er hat sich Geld geliehen, nicht etwa geklaut, veruntreut oder unterschlagen. Nein, geliehen! Um sich ein Haus zu kaufen, keine Jacht oder einen Jet. Ein normales – nach meinem Geschmack – eher langweiliges Haus in Hannover!?? Zu einem günstigen Zinssatz, ja so ein übler Kerl!?? Dann hat er ein Upgrade einer Fluggesellschaft für einen Urlaubsflug akzeptiert? Wie maßlos kann einer sein!?? Er soll gefälligst Holzklasse fliegen und seine Thrombose-Strümpfe anziehen! Was glaubt er wer ist, der Herr Wulff, … der Kaiser von China oder gar der 1. Mann in unserem Staate??? Und dann brüllt er auch noch einen großartigen, verdienten und gradlinigen Journalisten wie den Kai von der BILD am Telefon an und will ihm verbieten kritisch und aufrichtig zu berichten! ??

Hallo????? Geht es noch??? Das kann unser Präsident gar nicht verbieten und das weiß er auch denn er ist nämlich schon volljährig auch wenn die Medien uns glauben machen wollen, er sei es nicht … aber der Kai weiß das anscheinend nicht und heult sich bei seinen eigenen Redakteuren aus und berichtet tapfer gegen den Bundesdiktator Wulff an!!!??

Aber darf ein Präsident in diesem Land sauer sein auf boulevardesken Enthüllungsjournalismus und unappetitliche Schnüffelei in seinem Privatleben? Darf er das oder nicht? Darf er Mensch bleiben angesichts einer unmenschlichen und gnadenlosen Presse??? Gut, seine Urlaubsreisen mit oder bei Herrn Maschmeyer hätte er sich sparen können. Da hätte er auch gleich mit oder beim Chefredakteur der BILD Urlaub machen können.

Zugegeben der Bundespräsident hat Fehler gemacht aber hat er sich strafbar gemacht oder unmenschlich gehandelt? Er hat seine Fehler eingeräumt und sich dafür öffentlich entschuldigt. So und nun? Kohl hat einen Demonstranten vor der Weltöffentlichkeit zusammengeschlagen, Schroeder hat sich im Fernsehen hackevoll und live um Kopf und Kanzlerschaft geredet, Kiesinger war in der NSDAP.

Tja, das waren anscheinend noch Staatsmänner! Wenn der Bundespräsident jetzt geht dann geht der demokratische Konsens! Jedem potentiellen Nachfolger des Bundespräsidenten muss angesichts dieser hysterischen Debatte die Lust auf das Amt vergehen. Der Präsident muss unfehlbar sein. Gut, dann bleibt nur noch der Ratzinger und der kriegt sicher keinen Ärger mit dem Kai von der BILD seitdem die beiden ja nun Papst sind?? Herr Präsident, bleiben Sie im Amt und vor allem bleiben Sie Mensch!

Drei Millionen Wähler suchen eine Heimat

Hamburg, 03. Jan. 2012 heutiger Bericht im Hamburger Abendblatt
von Alfred Merta  

Nach Enttäuschungen über Politiker wie Guttenberg, von Boetticher und Wulff könnte eine neue bürgerliche Partei auf Chancen hoffen.

Es gibt viele heimatlos gewordene Wähler: Euro-Gegner, Anhänger der Wehrpflicht, Befürworter einer längeren Atomkraft-Nutzung; Bürger, die eine „bürgerliche“ Politik wollen, aber über die Skandale um „bürgerliche“ Politiker wie Guttenberg, von Boetticher, Wulff entsetzt sind; Menschen, die sich als konservativ bezeichnen und sich bei der Union zunehmend fremd fühlen; Wirtschaftsliberale, die über die FDP nur noch lachen können. Wenn es eine neue Partei für all diese Bürger gäbe, „dann käme man locker über die fünf Prozent“, glaubt der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach. Meinungsforscher äußern sich ähnlich.

Legt man die knapp 43 Millionen abgegebenen gültigen Stimmen der Bundestagswahl 2009 zugrunde, dann sind 430 000 Wähler ein Prozent, das Potenzial der neuen Partei liegt also bei zwei bis drei Millionen Stimmen. Monatelang geisterten Namen für eine solche Bewegung durch die Medien: Merz, Henkel, Baring, Clement, Gauweiler, Bosbach. Selbst ins Gespräch gebracht hat sich Guttenberg. Sarrazin ist mittlerweile außen vor, angesichts der braunen Terror-Morde an Türken würde eine deutsche Anti-Islam-Partei nur Betretenheit hervorrufen.

Die Gründung einer neuen Partei ist mühselig, bis zur Bundestagswahl 2013 kaum zu schaffen. Das vermeintliche Spitzenpersonal hat nichts damit im Sinn oder will weiter innerhalb des schwarz-gelben Spektrums für die eigenen Überzeugungen kämpfen, so etwa Bosbach und der FDP-Euro-Rebell Schäffler. Doch einer hat sich jetzt gemeldet, der die drei Millionen heimatlosen Wähler abholen will: Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, die bislang in Bayern die CSU das Fürchten lehren. Aiwanger will auf die Bundesbühne – mit Euro-Skepsis, bürgerlichen Werten, Abgrenzung vom Politikstil der Altparteien.

Vor allem frühere FDP-Wähler will Aiwanger gewinnen, unterstützt wird er vom früheren BDI-Chef und Euro-Gegner Hans-Olaf Henkel. Wegen der „urbayerischen Laute“ (Henkel) in seinem Sprachstil mag Aiwanger provinziell wirken. Aber er hat die Marktlücke clever erkannt. Für seinen politischen Instinkt spricht im Nachhinein auch, dass die Freien Wähler bei der Bundespräsidentenwahl für Gauck, und nicht für Wulff stimmten.

Allerdings ist das „Projekt fünf Prozent“ mit einem doppelten Risiko behaftet. Schaffen es die Freien Wähler mit Henkel am Ende nicht in den Bundestag, sind ihre Stimmen für das bürgerliche Lager verloren. Darüber würden sich SPD und Grüne freuen, die ihrerseits vom Anknabbern durch die Piratenpartei bedroht sind. Der SPD könnte es auch helfen, wenn die Freien Wähler die Fünf-Prozent-Hürde überspringen – dann, wenn sie sich auf einen strikten Kurs gegen den Euro-Rettungsschirm festlegen. Dann könnte Merkels CDU nicht mit ihnen koalieren, eine Große Koalition rückte näher.

Die Euro-Rettung, notfalls mit deutschen Steuer-Milliarden, und der jetzt eingeleitete Prozess einer gemeinsamen europäischen Finanzpolitik – das wird auch nach der Wahl deutsche Regierungspolitik sein, weil Union, SPD und Grüne dafür stehen. In den Meinungsumfragen sind viele Deutsche dagegen, doch wer von ihnen würde den Richtungswechsel wirklich herbeiführen wollen, mit all seinen Konsequenzen für Deutschlands Wirtschaft und Deutschlands Rolle in Europa? Das Ergebnis des FDP-Mitgliederentscheids deutet eher darauf hin, dass die Euro-Ablehnung in Talkshows und Umfragen das eine ist, die konkrete Wahl-Stimme aber etwas ganz anderes.

Dank Aiwangers Freien Wählern bekommen die drei Millionen heimatlosen bürgerlichen Wähler nun jedenfalls ein Angebot. Dessen Prüfung kann allerdings auch dazu führen, dass sie sich doch wieder für CDU/CSU oder FDP entscheiden. Die Attraktivität der Union am Wahltag hängt davon ab, wie viele Wähler Angela Merkel als Kanzlerin behalten wollen. Die FDP hätte im Abstiegskampf, wenn es nur noch um die heimatlosen Wähler und die Fünf-Prozent-Marke geht, ebenfalls ein Zugpferd: Rainer Brüderle. Der könnte Aiwanger und Henkel Paroli bieten, aber dafür müsste die Partei ihn an die Stelle des ungeeigneten Vorsitzenden Philipp Rösler setzen. Gewagt, aber es könnte das Überleben sichern. Sonst freut sich Aiwanger.

Schürkamp darf bis 2016 bleiben

Herford, 22. Dez. 2011  Bürgermeister Wollbrink genehmigt den Antrag des Kämmerers auf Dienstzeit-Verlängerung
VON HARTMUT BRAUN, NEUE WESTFÄLISCHE

Bleibt bis 68 / Foto: NW

Herford. Kämmerer Manfred Schürkamp darf über die Erreichung der Altersgrenze hinaus hauptberuflich im Rathaus tätig sein. Bürgermeister Bruno Wollbrink hat die Verlängerung seiner Dienstzeit um drei Jahre genehmigt. Danach kann der Finanz- und Personalchef der Stadtverwaltung bis Mitte 2016 im Amt bleiben. Dann ist er 68 Jahre alt.

Pressesprecher Dr. René Schilling bestätigte gestern entsprechende Informationen unserer Zeitung. – Schürkamp (Jahrgang 1948) war nach dem Realschulabschluss an der heutigen Otto-Hahn-Realschule 1965 als Lehrling in städtische Dienste getreten – und blieb dem Rathaus seither treu. Der schwergewichtige Beamte gilt seit über einem Jahrzehnt als „starker Mann“ in der Stadtverwaltung.

Unter Bürgermeister Dr. Gerd Klippstein (SPD) wurde er Ende der 90er-Jahre Fachbereichsleiter für „Zentrale Dienste“; Bürgermeister Thomas Gabriel (CDU), der das Beigeordnetenwesen auflöste, machte ihn 2001 zum Dezernenten und 2002 auch zum Kämmerer.

Unter Bürgermeister Bruno Wollbrink (SPD) trat Schürkamp in die CDU ein, um als Ansprechpartner der Christdemokraten dienen zu können. Als Geschäftsführer des Verkehrsvereins und der Pro Herford prägt er zudem die werbliche Außendarstellung der Stadt.

Im Herbst verblüffte er Kollegen und Stadtpolitiker mit einem Antrag auf Verlängerung seiner Dienstzeit. Bis dahin hatte man damit gerechnet, dass er sich Mitte 2013 nach dem Ende der von ihm nach Herford geholten „Internationalen Hansetage“ in den Ruhestand verabschieden würde.

Doch sein Amt lässt den 63-Jährigen nicht los.

Über Anträge auf Verlängerung der Dienstzeit hat der Bürgermeister als Dienstherr zu entscheiden. Bruno Wollbrink fragte bei den Ratsfraktionen nach – und vernahm keine Einwände, wie aus dem Rathaus zu hören ist. Nur die Grünen hatten im Vorfeld für einen personellen Neuanfang plädiiert.

Auch der Personalrat wurde, wie vorgeschrieben, beteiligt – und hatte keine Bedenken. Am Ende sah der Bürgermeister, der sich vergeblich für eine Rückkehr zum Beigeordnetenwesen mit Wahlbeamten einsetzt. sich in der Pflicht, dem Begehren stattzugeben.

KOMMENTAR
Schürkamps Rente mit 68   Weiter so?

HARTMUT BRAUN

Die Stadtfinanzen müssen in Ordnung gebracht werden. Zeitgemäße Personalwirtschaft muss in der Stadtverwaltung Einzug halten. Das Stadtmarketing braucht neue Qualität. Drei große Aufgaben, eine Zuständigkeit – gestern, heute, morgen: Manfred Schürkamp.

Er will im Rathaus das Heft in der Hand behalten. Und der Bürgermeister lässt ihn. Dabei war Schürkamp bislang eher ein machteifriger Verwalter ohne Profil als Sanierer oder Modernisierer. Er steht, positiv ausgedrückt, für Kontinuität – ausdrücklich nicht für Effizienz, Aufbruch, frische Ideen.

Als Generalist ist er ein Mann der großen Geste, mit den Details selten vertraut, an konkreter Umsetzung kaum interessiert. Wird die Modernisierung der verkrusteten Rathaus-Strukturen nun auf die Zeit nach 2016 verschoben ? Herford kann sich das gar nicht leisten.

Jetzt sind sie in Rat und Verwaltung auf seine Lernfähigkeit angewiesen.

Mehrheit für Kaufhof-Aufschub

Herford, 21. Dez. 2011 CDU und SPD gewähren Investor Fristverlängerung
Von Thomas Hagen, NEUE WESTFÄLISCHE

Herford (toha) Wenige Tage vor Fristende gibt es eine politische Mehrheit für die vom Investor Gundlach (Hannover) gewünschte Fristverlängerung bei der Entwicklung des Kaufhof-Areals.

Nachdem bereits seit längerem feststand, dass die Sozialdemokraten Bürgermeister Bruno Wollbrink in seiner Ansicht nach Aufschub bis Ende März des kommenden Jahres folgen werden, hat gestern Abend auch die CDU-Fraktion einer letztmaligen Verlängerung der Frist zugestimmt.

„Wir wollen dem Projekt wegen weniger Wochen nicht entgegenstehen“, sagte Fraktionschef Wolfgang Rußkamp. Nun kann der Aufsichtsrat der HVV dem Dringlichkeitsbeschluss zustimmen.

Gundlach hatte um Aufschub gebeten, weil ein Hauptmieter erst im Februar den Mietvertrag unterzeichnen kann.

Aufschub für Hanse-Carree

Herford, 21. Dez. 2011  Politik signalisiert Zustimmung
Von Peter Schelberg, Herforder Kreisblatt

Herford (HK). Der Investor Gundlach wird eine Fristverlängerung für die Neugestaltung des ehemaligen Kaufhof-Areals erhalten: CDU, SPD und Grüne haben gestern ihre Zustimmung angekündigt.

In der »Elefantenrunde« der Fraktionsspitzen vor einer Woche war Beratungsbedarf angemeldet worden. Bis heute sollten die Fraktionen ihr Votum abgeben, ob sie dem Projektentwickler aus Hannover und dem Herforder Architekten Karsten Schlattmeier noch ein weiteres Zeitfenster zur Vorbereitung eines Bauantrags für das geplante Hanse-Carree öffnen wollen.

Wie berichtet, reicht die bereits einmal verlängerte Frist bis Ende 2011 nicht aus. Nun sollen die Niedersachsen spätestens bis Ende März 2012 erklären, ob sie das Projekt realisieren können oder nicht. In der Ratssitzung am 23. März wird aber bereits mit der entsprechenden Information gerechnet. Einen Zwischenbericht soll es in der Ratssitzung am 3. Februar 2012 geben.

»Für eine Fristverlängerung ist ein mehrheitliches Votum der Fraktionen zu einem Umlaufbeschluss des HVV-Aufsichtsrates notwendig«, erläuterte Stadt-Pressesprecher Dr. René Schilling. Die Stadt-Holding HVV hatte als Eigentümerin des ehemaligen Kaufhof-Geländes den Vertrag mit Gundlach ausgehandelt. »Wir müssen jetzt handeln, weil andernfalls ab 31. Dezember 2011 ein vertragsloser Zustand eintreten würde«, sagte Schilling.

CDU-Fraktionschef Wolfgang Rußkamp zeigte sich verwundert, dass noch keine Vorlage der Stadt zum gewünschten Aufschub eingegangen sei. Einer letztmaligen Fristverlängerung für Gundlach und Partner bis Ende März werde die CDU aber nicht im Wege stehen. Auch die SPD will dem Investor aus Hannover eine letzte Chance geben und dem Aufschub zustimmen, sagte Fraktionschef Horst Heining. »Dass wir das mit Bauchschmerzen tun, ist klar – aber wir sehen kurzfristig keine Alternative zum geplanten Hanse-Carree.«

Grünen-Sprecherin Angela Schmalhorst signalisierte ebenfalls das »Ja« ihrer Fraktion zur Fristverlängerung. Die FDP werde einen aus seiner Sicht fragwürdigen Dringlichkeitsbeschluss in dieser Form nicht unterschreiben, sagte hingegen Fraktionschef Lothar Wienböker. Er fordert eine Rats-Sondersitzung Anfang Januar.

Gestern informierten Stadtwerke-Geschäftsführer Detlef Jeretzky und Rechtsanwalt Wolfgang von Blumenthal (Kanzlei Becker, Büttner und Held) CDU, SPD und Grüne über die von Stadtwerken und Eon Westfalen-Weser geplante Gründung einer gemeinsamen Strom-Netzgesellschaft. Heute haben die Fraktionen Gelegenheit, den Vertragsentwurf einzusehen.

Henkel unterstützt FREIE WÄHLER

Herford / Berlin, 19. Dez. 2011 Gründungs- und Ratsmitglied der FREIEN WÄHLER Herfords HG Scheffer verweist auf den Bericht in DIE FREIE WELT

Er habe gehofft, dass der erneuten Hereinnahme exponierter Persönlichkeiten ein Mindestmaß an Rückkopplung zwischen Bundesvorstand und Basis voran gehe, sagt Heinz-Günther Scheffer, Mitglied auch der Bundesvereinigung FREIE WÄHLER Deutschland. Man sehe in Hans-Olaf Henkel, von dessen Beitritt man sich seitens des Bundesvorsitzenden offenbar ein ausschließlich positives Signal verspreche, unter anderem einen „Türöffner“.

„Doch wie gehen wir damit um, wenn die wechselseitige Neuentdeckung HOH zum Beispiel noch vor der Bundestagswahl 2013 wiederum – für Hans-Olaf Henkel bekanntlich alles andere als ungewöhnlich – neue politische Neigungen entdeckt?“, fragt Scheffer unter Hinweis auf die Berichterstattung sowohl in SPIEGEL ONLINE http://www.spiegel.de/politik/deutschland/a-804686.html als auch in DIE FREIE WELT:

Foto: FreieWelt.net

Hans-Olaf Henkel wird künftig die „Freien Wähler“ unterstützen. Auf einer Pressekonferenz in Berlin mit dem Bundesvorsitzenden der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, stellte er zudem einen Beitrittsantrag. Denn, so Henkel, „mit der Entscheidung der Mitglieder der FDP für den permanenten ‚Rettungsschirm'(ESM) zu Gunsten vieler finanzschwacher und zu Lasten weniger finanzstarker Länder hat die letzte im Bundestag vertretene liberale Kraft ihren Geist aufgegeben“. In den Freien Wähler sieht der ehemalige BDI-Chef dagegen eine „Alternative zur Europolitik und Parteienlandschaft“. Hubert Aiwanger erklärte, die Freien Wähler werden bei der Bundestagswahl 2013 antreten, mit dem Ziel, 5 Prozent plus X zu holen.

Henkel selbst erklärte, er strebe „derzeit kein Mandat an“, schloss aber eine  Kandidatur nicht aus.

Henkel ist davon überzeugt, dass ein großes Potenzial für eine neue liberale Kraft vorhanden ist. Dies liberalen Ideen will er nun bei den Freien Wählern umsetzen und vor allem die große Gruppe der Nichtwähler wieder in den politischen Entscheidungsprozess eingliedern. In Absprache mit Hubert Aiwanger wolle fünf Schwerpunkte bei seinem Engagement für die Freien Wähler setzen:

  1. Einsetzen für ein föderales Europa (Ein „Europa der Vaterländer“ für ganz Europa statt einer zentralistischen Einheitseuropolitik.
  2. Entwicklung von Alternativen zur derzeitigen Einheitseuropolitik
  3. Stärkung des Föderalismus in Deutschland (Mehr Selbstverantwortung für die Bundesländer und für die Kommunen)
  4. Ausbau der Macht für die Bürger, Abbau der Allmacht der Parteien
  5. Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen des Mittelstandes

Siehe dazu auch http://www.n-tv.de/politik/Henkel-startet-Partei-Karriere-article5033146.html oder http://www.n-tv.de/politik/Henkel-und-die-Freien-Waehler-article5045341.html

FREIE WÄHLER laden ins „Stadt Cöln“

Herford, 16. Dez. 2011  Gäste sind herzlich willkommen!

Zum öffentlichen „Kommunalpolitischen Stammtisch“ laden die FREIEN WÄHLER Herfords am Montag, d. 19. Dez. 2011 um 19:30 Uhr in die Gaststätte „Stadt Cöln„, Bügelstraße 6 in Herford, ein. In zwangloser offener Runde geht es um Fragen und Antworten zum Herforder Lokalkolorit. Bürgerfragen zur letzten Ratssitzung am 02. Dez. 2011 beantwortet Ratsmitglied Heinz-Günther Scheffer.

Der Schritt zum richtigen Museum

Herford, 12. Dez. 2011 Feiertag zur Eröffnung des Marta-Depots / Reichlich Platz für Sammlung, Lager und Werkstätten
VON RALF BITTNER, NEUE WESTFÄLISCHE

Interesse | FOTO: RALF BITTNER

„Es ist für mich ein freudiger Moment, heute das neue Depot des Marta offiziell einweihen zu können“, sagte Roland Nachtigäller, künstlerischer Leiter des Museums und erinnert sich an die Debatte, um Standort und Kosten für das Marta-Depot. Die Inbetriebnahme des Depots, das neben dem Lager auch Werkstatt, Materiallager und einen Schauraum enthält, sei ein weiterer Schritt für das Marta auf dem Weg zum richtigen Museum.

Auch wenn die Menschenschlangen vor dem Depot in den Räumen der ehemaligen Handelsschule längst nicht so lang waren, wie bei der Eröffnung des Gehry-Baus vor mehr als fünf Jahren, ist die Eröffnung für das Marta beinahe ebenso wichtig wie die des Museums selbst. Denn für ein Museum, das sich als Teil internationaler Diskussionen sieht, ist ein Depot mehr als nur ein Lager.

„Der direkte Zugriff auf die Exponate macht erst ein sinnvolles Arbeiten möglich“, sagte Nachtigäller und erinnerte sich, wie er die erste Ausstellung mit Exponaten der Marta-Sammlung nur nach Fotos im Katalog zusammengestellt habe. Bei manchen Stücken sei es schwer gewesen, sich so einen Eindruck von Größe und Wirkung zu machen.

Bisher habe er längst nicht alle Werke der Sammlung persönlich in Augenschein nehmen können, was sich aber ändern wird, sobald alle Werke in den 450 Quadratmeter großen Lagerräumen untergebracht und katalogisiert seien. Eine eigene Sammlung und der direkte Zugriff darauf seien unverzichtbar, um interessante Ausstellungen konzipieren zu können, da viele Leihgaben nur gezeigt werden können, wenn eigene Werke zum im Tausch überlassen werden könnten.

Während Nachtigäller in seiner Rede die Vorteile für die künstlerische Arbeit in den Vordergrund stellte, setzten Bürgermeister Bruno Wollbrink und Marta-Geschäftsführerin Helga Franzen ihre Schwerpunkte anders. Sie stellten eher die perspektivisch erhofften Einsparungen in den Vordergrund. Dank der gesparten Miete für die externen Lagerräume sollen sich die investierten 2,1 Millionen Euro binnen weniger Jahre amortisiert haben. Kurze Wege in Lager und Werkstätten sollen den Marta-Mitarbeitern ein effektiveres Arbeiten ermöglichen.

Der Außenbereich des Zweckbaus soll zukünftig auch zur Präsentation von Kunst genutzt werden. Eine Ahnung davon vermittelte die Videoprojektion von „Futuring“ von Eva und Adele auf der Außenwand des Depots. Weniger flüchtig verspricht die Gestaltung der Außenanlagen rund um Depot und Atelier zu werden, für die das Atelier Le Balto gewonnen werden konnte. Atelier-Mitglied Marc Pouzol nutzte den Tag, um sich inspirieren zu lassen. Besonders angetan ist er vom Kontrast zwischen schlichten Zweckbau und Gehrys Wellen-Entwurf.

Die Aufgabe die Bauten zueinander in Beziehung zu setzen, soll noch im Winter begonnen werden. Auch für Registratorin Ute Willaert beginnt die Arbeit jetzt erst richtig. Jedes Werk muss in Augenschein genommen, katalogisiert und auf seinen Zustand überprüft werden. Erst dann wird das Depot zum Kraftwerk für das kreative Arbeiten.